berliner szenen: Die Liebe zum Federvieh
D. liebt Hühner über alles. Zum Geburtstag hat sie daher Leihhühner für vier Wochen geschenkt bekommen. Es handelt sich um vier muntere Hennen, die am Donnerstag von einem Bauern geliefert wurden, zusammen mit einem Nachtkasten mit Hühnerleiter und einem Zaun, mit dem er einen Teil des Gartens des Mehrfamilienhauses absteckte. D. schickt begeistert Fotos in eine Gruppe und schlägt vor, sich am Sonntag entspannt vor dem Hühnergehege zu treffen.
Als wir mit Kuchen und Pizza beladen ankommen, begrüßt uns D. niedergeschlagen: „Wir mussten heute Morgen eine Henne begraben. Sie lag tot im Stall und dann hat auch noch ein Habicht versucht, sich eine andere zu holen. Das konnten wir aber gerade noch verhindern.“
Wir stehen still vor dem wabbeligen Maschendrahtzaun und bewundern die verbleibenden drei Tiere mit einer Traube Kinder aus der Nachbarschaft. Die Hühner picken und gackern so vor sich hin.
„Sehr beruhigend, oder?“, fragt D. nach einer Weile und wir nicken, beginnen wieder zu sprechen, gehen nach oben, um Getränke und Kaffee zu holen. Die Kinder spielen weiter, bis wir plötzlich gellendes Kindergeschrei und aufgebrachtes Gegacker hören. Wir sehen aus dem Fenster. Im Hühnergehege fliegen Federn. Die Kinder stehen davor und rufen: „Der Fuchs, der Fuchs!“
Unten rufen alle aufgeregt durcheinander. Im Gehege liegt ein totes Huhn, während die beiden anderen traumatisiert durch die Federn stolpern. „Es ist eben die Natur“, sagt jemand. Als ich an den Zaun trete, sehe ich den Fuchs im Nachbarhof. Er ist jung und sieht mir seelenruhig entgegen, als würde er warten, was geschieht.
Was geschieht, ist, dass der Bauer am nächsten Tag die Hennen abholt und D. beschließt, doch keine Hühner zu halten. Isobel Markus
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