piwik no script img

berliner szenenNormaler Irrsinn am Wasser

Der Alte mit dem Lidschatten spreizt sich in der Sonne. Er hat einen Zettel in der Hand, auf den er ab und zu schaut, als würde er eine Rolle einüben. Plötzlich bückt er sich zu dem Kind, öffnet sein Hemd, das er locker verknotet um den schlaffen Bauch trägt, und lacht irre. Das Kind erschrickt, es macht einen Schritt rückwärts. Der Vater steht daneben, unschlüssig, ob es noch zum Lachen ist. Vor dem Kiosk zündet ein Mann Knallfrösche, erst einen, dann noch einen. Die Frau in der Schlange ruft, ob er dann mal aufhören kann, BITTE.

Der Herr isst eine Currywurst und trinkt dazu eine Cola. Zwei Jungs in Badehosen stehen dabei und schauen ihm zu. Was die Bratwurst denn kostet, wollen sie wissen. Der Herr zuckt die Schultern. Die Jungs sehen sich verblüfft an. Dass jemand den Preis seiner Wurst nicht weiß, kommt ihnen komisch vor. Der Herr denkt nach. Er sagt: Für eine Wurst, eine Cola und eine Riesenschlange habe ich fünf Euro berappt. Die Jungs rechnen nach: Riesenschlange 60 Cent, Cola zwei Euro, also 2,40. Zufrieden ziehen sie ab.

Als der Herr die Toilette sucht, weist ihn eine Frau zurecht. Das hier ist die Damen­umkleide, sagt sie streng. Der Herr dreht sich um und lässt sie stehen. Am Affenfelsen macht sich Müdigkeit breit. Der junge Mann macht Übungen. Er stützt sich auf die Unterarme, das gelockte Haar fällt ihm ins Gesicht. Die Frau neben ihm verfolgt seine Bewegungen. Es sieht aus, als würde sie ihm gern eine Frage stellen. Schließlich sitzt der junge Mann im Schneidersitz und streicht mit dem Zeigefinger behutsam über sein Telefon. Die Frau guckt beleidigt in eine andere Richtung.

Der sehr dicke Mann schleppt sich zum Kinderbecken. Doch sobald er im Wasser ist, bewegt er sich wendig wie ein Seehund, taucht zu seiner Freundin und stupst sie an. Die fällt daraufhin einfach um. Sascha Josuweit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen