berliner szenen: Mit wem reden Sie da eigentlich?
In der Drogerie stehe ich vor dem Toilettenpapier und warte kurz, bis die Mitarbeiterin den Wagen mit dem Küchenpapier entladen hat, damit ich vorbeikomme. Eine Frau in Jeans und Allwetterjacke mit tollen Locken über der hellblauen Maske sagt ziemlich laut: „Ach ja das ist eine gute Idee, ich schenk ihm Klopapier.“ Die Mitarbeiterin guckt erst die Frau komisch an, dann mich. Die Frau sagt: „Ich schenk meinem Mann jetzt Klopapier, ist doch’ne gute Idee, oder? Ist mal was anderes, nicht immer das Gleiche.“
Die Mitarbeiterin sagt: „Na ja.“
„Doch, das ist doch mal was anderes. Das findet er sicher auch.“ Sie geht weiter und sagt: „Ach und so’ne Kerze hier kauf ich auch noch, die stelle ich an die Wanne und dann lege ich mich da rein und bade bei Kerzenschein. Das wird schön.“
Etwas weiter entfernt sitzt ein älterer Herr auf den Hockern vor den Fotoautomaten. Er sieht über dem Rand seiner schmalen Brille zu der Frau herüber, während sie weiter munter vor sich hin spricht. Irgendwann ruft er sehr freundlich herüber: „Sagen Sie, mit wem reden Sie denn da eigentlich?“
Die Frau guckt hoch und sagt: „Na mit wem denn wohl? Was denken Sie denn? Mit mir selbst. Ist ja sonst keiner hier.“
Der Herr sagt wieder sehr freundlich: „Ach so, Sie reden mit sich selbst, na ja, muss auch mal sein.“ Die Frau nickt und die Locken wippen dazu. „Irgendwo muss ja mal einer mit einem reden. Wenn man schon nicht zu Hause mit sich selber reden darf, dann eben hier.“
„Ach und warum nicht zu Hause?“, fragt der Herr.
„Na da halten mich sonst alle für verrückt“, sagt die Frau, als wäre das ja wohl logisch. Der Mann nickt ein Ach-so-Nicken.
Sie schiebt den Einkaufswagen weiter. Dann hört man: „Ach und Servietten, ja, Servietten brauche ich auch.“ Isobel Markus
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