berliner szenen: Brustkind braucht Kontakt
Der kleine Loa Bo ist ein Brustkind“, erfahre ich ungefragt, als ich mich im Supermarkt hinter einer Frau mit Kinderwagen an die Kasse stelle. Ich nicke höflich. Schon wieder eine Mutter mit Kind mit Fantasienamen. „Also solch ein Brustkind!“ Ich nicke wieder. Warum erzählt sie mir das?, frage ich mich, bevor mir einfällt, dass ich ebenfalls einen Kinderwagen schiebe und die Frau wohl davon ausgeht, dass darin ein Kind liegt und dass das Kind meins ist. Obwohl ich in dem Kinderwagen ja theoretisch auch meine Pfandflaschen transportieren könnte. Oder eine Puppe. „Also wie gerne mein Loa Bo an der Brust trinkt!“ Ich nicke gequält. „Loa Bo braucht einfach den Körperkontakt“, sagt die Frau, „und die Wärme meiner Haut.“
„Das ist ja ungewöhnlich“, sage ich, „meins liegt am liebsten allein in einem kalten Zimmer.“ Die Frau blickt mich irritiert an. Dann fährt sie fort: „Loa Bo ist schon eine richtige kleine Persönlichkeit. Und mein Mann und ich sind so verliebt.“
„Das freut mich für Sie“, sage ich, „Sie sind wohl noch nicht lange zusammen?“
„Wie meinen Sie das?“
„Na ja, wenn Sie noch so verliebt sind, Sie und Ihr Mann.“
„Aber ich meine doch Loa Bo! Mein Mann und ich sind verliebt in Loa Bo!“
„Ach so“, sage ich. Sie blickt mich erwartungsvoll an. „Und Sie? Sind Sie auch so verliebt?“ Warum bewegt sich diese Supermarktschlange nicht? „In Ihren Mann jetzt?“, frage ich, „oder in Loa Bo?“ Die Frau scheint ehrlich verwirrt.
„Das war nur ein Witz“, sage ich und füge schnell hinzu: „Woher kommt denn der Name Loa Bo?“
„Aus meinem Kopf“, sagt die Frau.
„Wie heißt denn Ihr Kind?“, will sie nun wissen.
„Hans-Joachim“, sage ich spontan und wechsle unter ihren entsetzten Blicken die Kasse. Eva Mirasol
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