berliner szenen: Irgendwie doch Zauberei
Sie sind keine Zahnärztin, Sie sind eine Zahnflüsterin“, sag ich meiner Zahnärztin beim zweiten Termin meiner Wurzelbehandlung, und sie lacht, wie sie es oft macht, laut und herzlich hinter der Maske. Vor dem ersten Termin habe ich so viel Angst, dass ich nicht schlafen kann. Eine Freundin leitet mir Videos weiter, die ihr Vater ihr geschickt hatte. Es geht um Maja Nowak, die für mich bis dahin unbekannte Hundeflüsterin, die in ihrer ZDF-Sendung problematische Hunde zu „vernünftigen“ Hunden machte, weil sie mit ihnen direkt kommunizieren konnte.
Meine Zahnärztin wird mir am nächsten Tag auch so wie eine Zauberin vorkommen. Wie ein eingeschüchterter Hund trete ich bei ihr ein. Bevor ich Hallo sage, erwähne ich schon, dass ich Panik habe. Wovor genau, will sie wissen, und ich erzähle ihr alle die Geschichten, die ich erzählt bekam nach der Erwähnung des Wortes Wurzelbehandlung: von blauen Augen bis zum plötzlichen Tod. Sie sagt ruhig: „Natürlich hört man immer davon, wenn etwas schiefläuft, und nicht, wenn alles normal läuft.“ Sie nimmt einen Block und zeichnet darauf geschickt meinen Zahn und seine toten Nerven. Alles, was sie machen wird, erklärt sie mir, und auch wofür und warum. Sie legt ihre Hand aufs Herz und verspricht mir, dass es nicht wehtun wird. Ich entspanne mich und möchte sogar lachen, als sie sagt: „Jetzt wird es nach Schwimmbad schmecken.“
Und dann ist es vorbei, ohne dass ich es merke. Nach der Behandlung steigt ein bisschen Schmerz auf, und ich schaue sie mit großen Augen an. Ich soll im Wartezimmer sitzen und warten, bis er weg ist, der Schmerz. Nach zehn Minuten stelle ich fest, dass ich nach Hause gehen kann. Auf dem Weg kaufe ich mir Schokoladeneis und Ibuprofen, meine Zahnärztin hat mir beides verschrieben.
Luciana Ferrando
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