berliner szenen: Weihnacht mit Udo Jürgens
Ich betrete mit meiner Tochter das Museum für Fotografie hinter dem Bahnhof Zoo. Wir haben Zeitkarten, sind aber etwas zu früh. Zwei fröhliche Mitarbeiter begrüßen uns am Eingang. „Guten Tag“, sage ich und zeige unsere Karten, „wir sind wohl etwas zu früh, können wir trotzdem schon hinein?“
„Ach, na klaro“, sagt der eine und scannt schon mal unsere Karten. „Hübsche Menschen dürfen zu jeder Zeit kommen“, sagt er noch. Wir lachen. „Ich wollte schon immer mal nachts ins Museum“, sage ich. Die Augen des anderen hinter dem Informationsschalter gucken sehr fröhlich über der Maske. „Das wär aber ein bisschen sehr früh, wir öffnen erst um 11 Uhr morgens.“
„Ach schade“, sage ich.
„Trotzdem viel Spaß Ihnen“, wünscht der erste und zwinkert.
Meine Tochter und ich gehen durch alle Ausstellungen, sehen uns die Werke von Sheila Metzner, Evelyn Hofer, Joel Meyerowitz und Helmut Newton an. Wir staunen über Schamhaartoupets und Helmuts gelbe Socken, die wir toll finden, und lesen seine Terminkalender. Wir stehen lange vor den wie gemalten Bildern von Metzner, dem von Meyerowitz des Jungen mit einem Fisch im Nacken oder der Frau mit den Sommersprossen, die sich wie Konfetti auf ihrem Körper verteilen. Am Ende wollen wir noch mal in den Museumsshop. Ich stöbere draußen an den Postkarten und höre die beiden Mitarbeiter am Eingang lachen. „Udo Jürgens hatte ne Weihnachtsplatte?“, lacht der Mann am Kassenschalter. „Zeigen Sie mal her.“ Ein Museumsbesucher reicht ihm den Stapel Schallplatten und sagt: „Hatte nicht jeder von denen irgendwann eine Weihnachtsplatte? Die hab ich eben am Straßenrand gefunden. Eros Ramazzotti ist auch dabei. Wollen Sie eine?“
„Schönen Dank“, sagt der Mitarbeiter. „Aber für Weihnachten ist es nun wirklich noch zu früh.“ Isobel Markus
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