berliner szenen: Widderchen und Glöckchen
Warum sollte es ein bestimmtes Tier woanders geben und hier nicht? Ich machte mir keine weiteren Gedanken über den Text, den ich mal Korrektur las. Es ging darin um eine Fläche in Brandenburg und die Tiere, die dort vorkommen. Was Naturkundliches. Immer wieder stand darin was von Widderchen.
Ich erzählte dann einem Freund, dass es in Brandenburg Widder gebe, also wilde, nicht im Zoo. Der Freund war erstaunt und fragte: „Echt?“ Ja, echt – schließlich hatte ich das gelesen, in einem Landschaftsgutachten.
Irgendwann erfuhr ich, dass ein Widderchen eine Schmetterlingsart ist.
Das ist Jahre her, aber jetzt musste ich wieder dran denken. Weil ich neulich was im Internet las. Es ging um die geplanten Lockerungen in der Pandemie und darum, unter welchen Bedingungen Restaurants in Berlin demnächst öffnen dürften. Da stand, dass die Leute an Tischen sitzen müssen, mit Abstand und so weiter, und dass KellnerInnen das Essen an die Tische bringen müssen, mit einer Glocke darüber. Ich stellte mir dann einen Teller vor mit Kartoffeln und Kräutern oder so und darüber einen Bogen, an dem ein Glöckchen hängt.
Natürlich habe ich mich gefragt, welchen Zweck das haben könnte. Meine Vermutung war, dass ich wohl mal wieder was verpasst hatte in diesem ganzen Coronamaßnahmen-Infofluss.
So spekulierte ich: Vielleicht müssen Restaurantgäste auf sich aufmerksam machen können, wenn was nicht stimmt, und dann darf man nicht rufen oder reden, wegen der Viren. Deshalb das Glöckchen, zum Klingeln. Über was sollte man sich schon noch wundern in diesen Zeiten? Irgendwann kam mir der Geistesblitz, dass eine andere Glockenart gemeint war. Ich hatte zum Glück noch niemandem von dem Glöckchen erzählt.
Giuseppe Pitronaci
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