piwik no script img

berliner szenenFühlte sich merkwürdig an

Eine Weile kauften wir im gleichen Blumenladen ein. Dreimal stand er hinter mir an. Es fühlte sich jedes Mal merkwürdig an.

Ein paar Mal sah ich ihn auch auf der Straße und habe mich gewundert, warum er alleine rumläuft, ohne Schutz, ein Mann, der Bürgermeister dieser Stadt war, Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens, der noch immer keiner ist, ein Mann, der die Party in die Politik gebracht hat und die Politik in die Party und eine öffentliche Haltung zu seiner Homosexualität, die vielleicht wichtiger ist als ein Flughafen.

Die Tür der U-Bahn öffnet sich und ein junger Mann zieht gerade sein Handy von Klaus Wowereits und seiner Gesichtshöhe zurück, während er sich bedankt, und als ich einsteige, sagt Wowereit: „Bitte!“ Dann steigt er aus, ein weißhaariger attraktiver alter Mann im blauen Sakko und hellgrauer Hose, der im Gedränge des U-Bahnhofs Mehringdamm verschwindet.

Ich rempele aus Versehen einen Mann an, entschuldige mich, doch er beansprucht im feinsten badischen Dia­lekt seine körperliche Unversehrtheit.

Ich sehe ihn an und denke: Alter, leg dich nicht mit einem Stadtkind an. Du kommt aus dem Südwesten unseres Landes, aus einem dieser Dörfer, das von zwei Ortsausgangsschildern zusammengehalten wird, darüber Himmel, darunter saftiger Boden mit niedriger Bombardierungsdichte. Du kannst mir nichts! Wir haben die Unfreundlichkeit erfunden. Wenn es regnet, dann regnet der Regen unserer Laune entgegen. Wir können nichts, auch nicht Hochdeutsch.

Wir haben Oberförster wie Diepgen und Landowsky überstanden, wir haben hier einen Flughafen, der gebaut wurde, um zu verrotten, wir haben drei Jahre nach einer Wohnung gesucht.

Fahre also weiter, junger Mann, du wirst verlieren.

Björn Kuhligk

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen