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berliner szenenReifer Spion sucht junge Ärztin

Gestern. Ein großes Berliner Krankenhaus, Rettungsstelle, Sonntagmorgen. Ich bin Ärztin. Das ist so etwas Ähnliches wie Arzt.

Vor mir sitzt ein älterer Herr mit Kopfschmerzen. Nachdem es ihm wieder besser geht, kommen wir ins Gespräch. Bald erfahre ich, dass er früher mal Spion war. „Wo haben Sie denn spioniert?“, frage ich neugierig. „Spionagegeheimnis“, sagt er vorwurfsvoll, „das hätten Sie sich doch denken können.“ Ich hebe entschuldigend die Hände.

Er wirft einen Blick auf mein Namensschild, auf dem neben dem Namen mein Foto abgedruckt ist. Eines dieser Bewerbungsfotos, auf denen einen nicht mal die eigene Mutter erkennt. „Donnerwetter!“, sagt er, „mit offenen Haaren sehen Sie ja richtig gut aus! Also wirklich! Ich meine, richtig gut! Sie haben so ein schmales Gesicht, das passt!“

Da ich noch nie ein Kompliment von einem Spion bekommen habe, verschweige ich ihm, dass sein Kompliment gar keines ist.

Dafür erscheinen vor meinem geistigen Auge die Kontaktanzeigen im Ärzteblatt: „Reifer Spion im Ruhestand sucht jüngere Ärztin mit schma­lem Gesicht und offenen Haaren für Spiele mit Stethoskop und Stauschlauch.“

Er mustert mich von oben nach unten. „Ein Problem mit Übergewicht haben Sie auch nicht, was?“ – „Nein“, sage ich, bevor mir einfällt, dass die Frage nach dem Body-Mass-Index eigentlich von mir gestellt werden muss.

Doch der Mann lässt nicht locker. „Eher umgekehrt, was? Mit Ihren dünnen Ärmchen würden Sie sicher eine gute Spionin abgeben! Könnten sich überall verstecken.“ – „Wie war das nochmal mit Ihren Kopfschmerzen?“, beschließe ich nun doch, das Thema zu wechseln. „Ich habe eigentlich gar keine“, zwinkert mir der Mann zu, „wollte nur mal sehen, wie das hinter den Kulissen so abläuft.“ Eva Mirasol

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