berliner szenen: Es lebe die Macht der Fantasie
Letzte Woche hat mich mein Freund zum Unterwäschekauf in die Mall of Berlin begleitet. Es ist der einzige Einkauf, bei dem er gerne mitkommt, und das, obwohl ihm die Existenz von Unterwäsche sonst völlig egal ist. Im Gegenteil, meist lockt ihn nur die Information über deren Fehlen aus der Reserve. In seinem Blick lese ich dann eine Mischung aus freudiger Überraschung, Lust und ehrlicher Dankbarkeit.
Ich mag diesen Blick, doch habe ich inzwischen so viel Unterwäsche, die ich für ihn nicht anziehe, dass ich mir für unsere gemeinsamen Shoppingtouren eine neue Taktik überlegt habe: Zuerst lasse ich ihn die Unterwäsche aussuchen. Dann darf er mit in die Kabine. Dort nehme ich, da er darauf besteht, mich einzuladen, sein Geld und gebe ihm einen leidenschaftlichen Dankeskuss. Dann sage ich ihm, dass er draußen auf mich warten soll, ziehe mich um und kaufe stattdessen heimlich einen Schlafanzug. Zu Hause teile ich ihm dann ab und zu mit, dass ich seine Unterwäsche nicht anhabe, und dann freuen wir uns beide.
Es ist eine klassische Win-Win-Situation, denn ich habe viele gemütliche Schlafanzüge, und mein Freund glaubt, mein Kleiderschrank sei der eines Victoria’s-Secret-Models. Es lebe die Macht der Fantasie. Zumal die von Männern ohnehin leicht zu manipulieren ist.
Neulich standen drei Frauen am Flohmarkt, die behaupteten, den Kuchen, den sie verkauften, nackt gebacken zu haben. Sehr gut sahen sie aus, die drei Frauen, denen etwa 150 Männer den Stand einrannten. Als mal kurz niemand hinsah, fragte ich sie, ob das stimme. Um Gottes Willen, sagten die drei, sie hätten in ihrem Leben noch nichts gebacken, und ob ich gar nicht sähe, dass sie nicht mal Kuchen hätten. Ich war so beeindruckt, dass ich sofort zehn Euro in die Kasse legte. Mein Freund würde begeistert sein. Eva Mirasol
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen