berliner szenen: Statt klicken lieber direkt ins Büro
Endlich hab ich mal wieder den Strom-Anbieter gewechselt. Soll man ja machen, hin und wieder. Damit Bewegung in den Markt kommt, wie es heißt. Und man spart dann. Eigentlich mag meine Trägheit das Gewechsel nicht. Ich rief so ein Start-up an, das guckt sich an, was der Kunde für Strom will, und sucht einem was Passendes. Wenn irgendwann was noch Passenderes kommt, melden die sich wieder. Praktisch, wenn man träge ist. Als ich anrief, waren sie verblüfft, weil die meisten das online machen. Aber selbst für dieses Onlinegeklicke bin ich zu träge.
Weil ich nicht mal raffe, wie viel Strom ich in einem Jahr verbraucht habe, hatte ich diese Idee: Ich such alle Strom-Unterlagen zusammen und geh damit zum Start-up, dann sollen die selbst sehen. Die waren dann noch verblüffter, dass ich auch hingehen will. Sie meinten, ich solle doch zum Mittagessen kommen, sie kochen immer in ihrem Großraumbüro. Das wollte ich nicht, beim Mittagessen mit Unbekannten smalltalken. Bin am Nachmittag hin. Das ist meine Art von Trägheit: etwas lesen, wo Kürzel wie kWh stehen, rumrechnen, online eingeben – ach nee. Durch die Stadt mit U-Bahn und zu Fuß, ein Büro suchen – ja klar.
Im Großraumbüro boten sie mir Sekt an. Nein danke, aber hier, meine Strom-Unterlagen, ob sie sich das mal ansehen. Taten sie und rechneten. Ich fragte, welche Strom-Anbieter böse und welche gut sind, und sie konnten mir zu fast allen was sagen. Jetzt hab ich einen neuen Strom-Anbieter, aber auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen gegenüber dem alten. Denn die Frau vom Start-up erzählte, dass die von dem alten Strom-Anbieter voll nett seien und sogar ein eigenes Warteschlangen-Lied am Telefon hätten. Vielleicht kehr ich irgendwann wieder zum alten zurück. Hauptsache, ich muss nix mit kWh lesen. Giuseppe Pitronaci
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen