berliner szenen: Starrt mit großen Augen
Nicht einmal einen kleinen?“, fragt meine Freundin V., während wir bei einem aufkommenden Gewitter zu ihrem Auto laufen. Seit Jahren überlegt sie, sich einen Hund zu holen. Wegen ihres Nine-to-five-Jobs rate ich ihr jedes Mal ab. Auch jetzt: „Hunde brauchen Beachtung. Und Bewegung. Ins Büro mitnehmen reicht da nicht …“
In dem Moment wird ein Vogel durch die orkanartigen Windböen von einem vorbeifahrenden Auto erfasst. Wir müssen mit ansehen, wie er gegen den Wagen meiner Freundin geschleudert wird.
Ob er den Aufprall wohl überlebt hat? Und wenn ja: Wohin bringt man einen verletzten Vogel? Während wir noch wie erstarrt dastehen, humpelt der Vogel auch schon hinter ihrem Auto hervor und starrt uns mit großen Augen an.
Es ist eine Krähe. Ihr Federkleid ist zerfleddert, ihr Schnabel unnatürlich geöffnet. Eine Frau bleibt neben uns stehen: „Das ist ein Jungvogel. Der braucht Hilfe. Haben Sie einen Behälter?“ Meine Freundin bietet ihr einen Korb an. Die Frau holt ohne große Worte eine Decke aus ihrem Auto, fängt die Krähe ein, setzt sie in den Korb und ruft eine Spezialistin an: „Hier noch mal die mit dem Spatzen von vorhin. Ich habe nun eine Krähe …“
Wir können unser Glück über die Vogelretterin kaum fassen. Bevor sie die Krähe zur Vogelhilfe fährt, fragt meine Freundin: „Sie kümmern sich nicht zufällig auch um ausgesetzte Hunde?“ Die Frau lächelt: „Ich nicht. Aber meine Tochter vermittelt welche zur Pflege.“ Meine Freundin lässt sich die Telefonnummer der Frau geben. Wegen des Korbes und der Krähe.
Im Auto meint sie: „Erst mal zur Pflege wäre doch ideal. Dann kann ich sehen, ob es mir zu viel wird.“ Ich muss schmunzeln. Ich bin sicher, dass sie den Hund nie wieder weggeben würde. Egal, wie viel Arbeit er ihr macht. Eva-Lena Lörzer
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