berliner szenen: In Pankow weht die Fahne noch
Im Freibad Pankow hängt eine Deutschlandflagge auf dem Bademeisterturm. Das hat mich schon im letzten Sommer irritiert und dieses Jahr erneut. Hin und wieder habe ich schon gedacht, dass ich einfach mal nachfragen sollte, warum die da hängt. Dann begann die WM, und plötzlich waren überall diese Flaggen. Man gewöhnt sich ja komischerweise schnell an so was. Gleich nach dem Vorrunden-Aus ist der Beflaggungswahn zum Glück wieder so gut wie vorbei. Im Freibad Pankow hängt die Fahne allerdings weiterhin. Ich spreche mit dem Kind darüber. Der ist beim Fußball für Belgien und fühlt sich als Antifaschist, also so in etwa jedenfalls.
Er erzählt mir, dass bei seinem Mitschüler Arthur zu Hause überall kleine Deutschlandflaggen hängen, als WM-Dekoration. Behauptet jedenfalls Arthurs Freundin, das Kind kennt das also nicht aus eigener Anschauung. Glaubt es aber, weil „Arthurs Vater ja sowieso bestimmt AfD wählt“. Mir ist das ein bisschen zu viel Behauptung und zu wenig eigenes Wissen. „Du kannst doch Leute nicht so pauschalisieren, obwohl du die gar nicht kennst und da noch nie gewesen bist“, wende ich ein. „Mama, der Vater isst auch keinen Döner mehr, weil er gegen Türken ist. Sagt Arthur.“
„Dann kann er aber nicht für die deutsche Nationalmannschaft sein“, erklärt mir die sächsische Kollegin, als ich im Büro davon erzähle. In ihrer Heimatzeitung stand gerade, dass in diesem Jahr weniger deutsch geflaggt werde, wegen Mesut Özil. „Das heißt dann: ‚nicht mehr meine Mannschaft‘ “, erläutert sie. Das wiederum ist ein Gauland-Zitat.
Am Tag vor den Sommerferien ist das Kind mit seiner Klasse im Pankower Freibad. Abends bringt es mich auf den neusten Stand: „Arthur findet es ganz normal, dass in einem deutschen Schwimmbad eine Deutschlandflagge hängt.“ Gaby Coldewey
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen