piwik no script img

berliner szenenPaco will noch Party machen

Unter der Kapuze seiner Jacke trägt der alte Mann neben mir in der U1 einen braunen Hut, an der Leine hält er zwei kleine White Terriers. Die Frau, die ihm gegenübersitzt, fotografiert ihn und sagt: „Noch ein Bild, dann hab ich’s.“ Er dreht sich zu mir und sagt: „Das macht mir nichts, ich bin es gewohnt. Wenn ich an der East Side Gallery spazieren gehe, machen die Leute Fotos, und keiner fragt.“

Ich lächle ihn an. Dann erzählt er: „Vor zehn Jahren lag ich ein Jahr im Koma.“ – „Oh“, sagt die Fotografin, alle Fahrgäste in der Sitzreihe hören jetzt mit. Später habe ihm seine Psychologin empfohlen, sich einen Hund als Begleiter zu besorgen. So sei er zu Paco gekommen. Ein spanischer Name, weil das Tier aus Spanien kommt. Der zweite Hund gehörte früher seiner Betreuerin. „Sie ist leider letztes Jahr an Krebs gestorben, und ich habe ihre Bella behalten.“

Am Bahnhof Möckernbrücke wird die U-Bahn voller. Der alte Mann fragt die Zugestiegenen, ob die Hunde im Weg sind, und versucht, Bella und Paco zu sich zu ziehen. Aber die beiden gehen von einem Fahrgast zum nächsten und werden ständig gestreichelt. Die Fotografin krault Bella am Kopf und fragt, ob die Hunde miteinander klarkommen. Ja, die seien ganz lieb. Bella sei ganz ruhig, während „Paco noch Party machen will“, obwohl er der ältere sei. „Er hinterlässt seine Telefonnummer an jedem Baum“, sagt der Alte, alle lachen.

Die Wintersonne scheint in den Wagen, und die Stimmung ist so schön, dass ich am liebsten mit allen weiterfahren würde. Vielleicht würde jemand sagen: „Lasst uns einen kleinen Ausflug machen“, und wir würden mit den Hunden in einen Park gehen. Das wäre ein unvergesslicher Tag. Aber ich muss zur Arbeit. Ich verabschiede mich und steige Kurfürstenstraße aus.

Luciana Ferrando

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen