berliner szenen: Zu viel für meine Paranoia
Fernsehkrimis sind, da bin ich mir ziemlich sicher, reine Ideologie. Ich bin überzeugt: Wenn wir regelmäßig zu sehen bekommen, wie wohlgesinnte Kommissare mit Verdächtigen Kaffee trinken, ist das nichts als eine große Kampagne mit dem Ziel, die Maschine Polizei bis zur Unkenntlichkeit zu vermenschlichen.
Als es vor einigen Tagen an meiner Tür erst klingelte, dann kräftig klopfte und sich auf Nachfrage „Kriminalpolizei!“ meldete, überkam mich erst kafkaesker Schwindel. Ein Blick durch den Spion zeigte mir einen Ausweis und dahinter zwei Männer in Jeans, einer davon mit Lederjacke, der andere mit Mantel.
Wie verdächtig, dass ich nicht sogleich öffnete, weil ich noch meinen Schlüssel suchte! Als ich sie einließ, zeigten mir die Polizisten ihre Ausweise nochmals. Ich brauchte mir die roten Karten nicht näher anzusehen, die in Krimis fetischisierte Geste genügte vollkommen.
Es war seltsam. Seit dem „Kriminalpolizei!“ hatte sich bei mir die fixe Idee festgesetzt, dass etwas mit mir und dieser Wohnung nicht stimmen konnte, ohne den geringsten Schimmer, was. Meine blauen Schuhe vor der Wohnung? Sehen ja tatsächlich aus wie die Sneakers des Typen auf dem Still der Überwachungskamera, das mir der Kommissar vorlegte.
Als ihm meine Trägheit angesichts monatelang nicht zugestellter Kontokarte und gleichzeitiger stattfindender Transaktionen auf meinem Konto allmählich absurd vorkam, meinte der Oberkommissar: „Sie haben ja ein sonniges Gemüt.“ Dazu lächelte er. Dann fragte er auch noch, ob ich „Schriftsteller oder so was“ sei. Google hätte ihn zu dieser Annahme geführt.
So viel Nachsicht und Erhöhung war zu viel für meine Paranoia. Ich beruhigte mich, und bald waren die Polizisten und ich von meiner Unschuld überzeugt. Sollten Sie das lesen, Herr Kommissar, und das werden Sie, da bin ich mir wieder ziemlich sicher: Sie waren ja wirklich nett! Pablo Rohner
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