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berliner szenenJunger Mann mit Brille

Einsamkeit

Es ist Samstagabend, kurz nach 23 Uhr. An der Rosa-Luxemburg-Straße Ecke Torstraße steht ein junger Mann mit einer runden Brille, einer bunt gewebten Kapuzenjacke und einer Bundfaltenhose. Er lächelt die dunklen Scheiben der Autos an, die an der Kreuzung auf die nächste Grünphase warten, und hält ein selbst gemaltes Pappschild in den Händen: „Ich bin Single“, steht darauf in leicht unruhiger Handschrift, „und suche eine Singlelitin.“

Der junge Mann, er ist vielleicht 20 Jahre alt, wäre anhand seiner Kleidung in einer Universitätsmensa leicht als Student der Sozialpädagogik oder der Meeresbiologie zu erkennen. In der großen Stadt, in der Nacht, am Wochendende allerdings wird er zum Rebellen: Er verweigert sich den versteckten Blicken, den Codes der Clubs und Kneipen und auch den zahllosen Single-Partys, auf denen an jedem Wochenende tausende junger Menschen über Nummerncodes und Großbildschirme ihr Begehren kanalisieren. Stellvertretend für die große Armee der Einsamen, die Nacht für Nacht durch die Stadt streift, stellt er seine eigene Einsamkeit schonungslos und ehrlich aus: „Nicht lachen“, steht auf seinem Schild, „ansprechen.“ Heute beginnt wieder ein Wochenende. Es ist ein langes Wochenende, das Pfingstwochenende, aber wir müssen keine Angst vor der Einsamkeit haben. Irgendwo in der großen Stadt steht der junge Mann mit der runden Brille an einer Kreuzung. Für uns alle. MEN

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