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berliner szenenSaisonauftakt im LCB

Agenten

Ich bin nicht James Bond, obwohl ich die gleichen Initialen habe. Ich bin nicht einmal Agent, geschweige denn Literaturagent. Bei Lesungen stehe oder sitze ich aber am liebsten neben Agenten, weil sie so unheimlich wichtige Gespräche führen: „Wollen Sie den B. kaufen“, sagt der eine. „Pssst“, macht der andere und sieht sich nach allen Seiten um. „Sind Sie verrückt?“ Und dann flüstert er: „Das wissen Sie doch. Den Namen habe ich Ihnen doch schon einmal genannt. Da läuft was im nächsten Herbst.“

Zweimal im Jahr treffen sich Agenten, Autoren, Verleger, Lektoren und Journalisten und die fünf Leute, die nichts mit all dem zu tun haben, im Literarischen Colloquium Berlin, um sich und den Saisonauftakt zu feiern. In kleinen Gruppen stehen sie an der Balustrade, schauen in ihre Weingläser oder auf den Sonnenuntergang. Nach einer Weile gehen die Veranstalter herum und räuspern sich auffällig. Man mag sich nicht so recht trennen, das Kommende lässt nichts Gutes erwarten: Eine Lesung. Die Luft ist stickig, die Autoren nuscheln, die Moderatoren stellen Fragen, die man selber stellen würde: „Was wollen Sie damit eigentlich sagen?“ Oder: „Was hat das zu bedeuten?“ Fragen, die im Nachhinein so peinlich sind, dass man froh ist, sie doch nicht gestellt zu haben.

Die beiden Moderatoren haben kurze Haare, tragen Brillen und unterscheiden sich nur durch die Farben ihrer Sakkos, das eine ist grau, das andere beige, und an diesem Abend bleiben sie ebenso geheimnisvoll wie normalerweise Agenten. Der mit dem grauen Sakko sagt zum Beispiel: „Daraus werden Sie nicht schlau, aber ich werde Ihnen das nicht abnehmen.“ Und als sich der erste Autor, ein Schwede griechischer Abstammung, zwischen die Moderatoren setzt, will der Graue dem Publikum nicht verraten, um was es in dem Buch geht. Der Autor schon, und noch ehe der Graue ihn an einer Erklärung hindern kann, sagt er: „Im Original heißt das Buch ‚Stockholm noir‘. Noir, das verstehen die Deutschen nicht, und wenn man es übersetzt, ist das wie ,Wuppertal schwarzweiß‘.“ Alle lachen und schauen sich danach gegenseitig an, um zu sehen, ob auch wirklich alle mitgelacht haben. „Das ist keine Antwort“, sagt der Graue schließlich, „aber vielleicht ein Hinweis.“

Die Autoren werden ausgetauscht, diesmal darf eine Frau lesen. Sie liest Gedichte, in denen es Wörter gibt wie „Schließmuskelkrampf“ und “Nachwichsgerät“, und wenn sie nicht liest, sagt sie schöne Sätze: „Romane schreiben, das ist, wie wenn man einen Pullover strickt und die Person wird immer fetter und fetter.“ Der Agent neben mir schließt die Augen und rutscht in seinem Sitz nach vorn, er seufzt, träumt vielleicht von einem anderen, aufregenderen Leben.

Ein Autor mit Turnschuhen betritt die Bühne. Und was er liest, lässt den Agenten aufhorchen, er setzt sich wieder auf. „Hinauf zum A“, liest der Autor. „Was für ein A! Nach so einem A will sie in die Arme genommen werden.“ Und da merke ich, dass Autoren wie Agenten sind, empfindsame Wesen, denen jeder Buchstabe heilig ist. Jedem auf seine Weise. JAN BRANDT

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