berliner szenen: Ästhetischer Formwille
Imbiss-Dandys
Es ist heute unter Jungschnöseln üblich, mit dem Blick des Feuilletonisten durch die Stadt zu laufen und allerhand Merkwürdiges zu entdecken. Man ist sich für nichts zu schade, weder die obligatorischen Hinweise auf NS-Verschwörungen und DDR-Dunkelmannmachenschaften noch für die Neuentdeckung der Steglitzer Schloßstraße. Die macht wenig Sinn, will aber auch nur Distinktion beweisen.
Trotz dieser feuilletonischen Anstrengungen blüht eine Kulturszene jedoch immer noch im Verborgenen: die der Imbissdandys. Tagsüber schneiden sie lustlos oder übervirtous Pressfleischstreifen vom Dönerblock oder shaken das Fett aus den Pommes, sie schöpfen Nudelsalat aus dem Plastikeimer und versenken zerschnittene Hackfleischbällchen in roter Fettcreme. Sie sehen aus wie normale Arbeiterinnen und Arbeiter, geben sich stumpf und volkstümlich, doch in ihnen rumort der ästhetische Formwille und eine sprachphilosophisch geschulte Theorie.
Sie glauben mir nicht? Dann achten Sie auf die Einzelheiten: Warum sehen sie alle gleich aus, benehmen sich gleich und sind von ihrem Publikum nicht zu unterscheiden, wenn sie ihren Unternehmen gleichzeitig geniale Namen geben können? In Berlin hat es eben nicht nur „Wurstmaxe“, „Manni’s Mampfbude“ und „Bulettenbärbel“, sondern auch „Kafka’s Imbiss“, Technogrill“ und „Ali Baba und die 40 Hähnchen“. Und schließlich und in aller Größe: „Zum Hunger“. JÖRG SUNDERMEIER
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