berliner szenen: Auf der Transmediale
Die Hose
Die Tage der Videofilmkunst sind nicht ohne Enttäuschung vorübergegangen. Hinter dem klangvollen Namen „Transmediale“ verbarg sich in Wahrheit eine große Eingangshalle, in der sehr viele Computer aufgestellt waren. Statt sich von schöner Videokunst im Internet aufrütteln zu lassen, überprüften die meisten Besucher an den Bildschirmen nur ihre E-Mail-Konten. Viele schrieben gleich Nachrichten zurück, selbst die Kettenbriefe vom Dalai Lama blieben nicht unbeantwortet.
Besser gefiel die Konkurrenzveranstaltung. Die Berlinale-Ausrichter stellen ihre Gäste schon durch ein umständliches Kartenkaufsystem zufrieden. Alle sind glücklich, wenn sie überhaupt Plätze in einem Kinosaal der Filmfestspiele bekommen. So landet man in „Spartacus“, einem dreieinhalb Stunden dauernden Epos von 1960, das in der Reihe „Hommage an Kirk Douglas“ gezeigt wird. Es geht viel um Sex, Krieg und großartige Massenszenen. Am Ende kreuzigen die Römer den Sklavenanführer Spartacus, wenigstens sein Sohn wird in Freiheit leben. In Erinnerung bleiben indes die Nebensächlichkeiten. Die schreckliche Frisur von Kirk Douglas zum Beispiel. Und dass er neulich in einem Interview empfohlen hat: „Always stay romantic“.
Draußen auf den Straßen vor den Potsdamer Platz Arkaden begrüßen sich die Kamerateams der lokalen Fernsehsender hingegen wie immer mit ihrem leidenschaftslosen „Seid gegruselt“. Wir sind froh, in unsere Wohnbezirke aufbrechen zu können.
Dort werden in den Gaststätten auch Filme gezeigt. Deren Darsteller grüßen sich mit freundlichen 70er-Jahre-Sätzen wie: „Nanu, unter dem Hut lebt ja was!“ oder „Sleep well in your Bettgestell!“. Und auf dem Nachhauseweg sehe ich wieder diese herrenlose Hose. Sie liegt seit Wochen auf dem Bürgersteig. Ihre Geschichte wird man wohl niemals erfahren. KIRSTEN KÜPPERS
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