berliner szenen: Dahlemer Idyllen
Alles, was geht
Wenn man nach Dahlem kommt, beneidet man die Studenten. Wie gut die das haben im Stillen! So viele interessante Dinge können sie lernen! Sie lernen neue Freunde kennen, mit denen sie dann im Grünen sitzen und Zigaretten rauchen, und mittags geht’s in die FU-Mensa, die mal wie ein Bahnhof, mal wie ein Hotelspeisesaal wirkt. Das Essen ist großartig und preisgünstig. Häufig gibt es „Aktionen“, zum Beispiel mit rumänischem Essen. Oft gibt es Klagen, die ich nicht verstehe: Den möchte ich sehen, der an fünf Tagen in der Woche so eine Essensvielfalt geboten bekommt! Möglicherweise begeistert einen die Mensa auch so sehr, weil man selber in seiner Studienzeit zwar oft, aber im Rückblick immer noch zu selten dort war. Das Essen ist also super.
Schwieriger ist es mit dem Trinken. Bei den Zapfhähnen stehen 0,3-Liter-Gläser mit Coca-Cola-Logo und Halblitergläser ohne Logo. Da hängt auch ein Schild, auf dem steht, dass man für die Cola nur Halblitergläser verwenden darf. Wahrscheinlich besteht ein Knebelabkommen zwischen Coca-Cola und der Uni, die sich verpflichtet hat, Cola nur in Halbliterportionen abzugeben. Das ist unverschämt, weil normalerweise fast jeder nur Lust hat auf 0,3-Liter-Cola. Am Abend gehen Studenten häufig in die „Luise“. Die aber taugt nichts. Ist es heiß, ist es immer viel zu voll. Die hässlichen Plastiktische stehen zu eng beieinander, die grellen Scheinwerfer nerven, und die riesigen Reklamesonnenschirme lassen an eine ewige Werbeunterbrechung denken. Nach einer Viertelstunde kam eine Serviererin, um unsere Bestellung aufzunehmen; zwanzig Minuten später kam das Bier; zwanzig Minuten nachdem wir das Bier weggemacht hatten, kam das Essen. Wir bestellten noch ein Bier, das nie kam. Man arbeitet hier lieber mit drei Leuten weniger als nötig, weil das ja auch geht. „Zerschlagt die Elite, weil ihr es könnt!“, steht auf einem Plakat vor der FU-Mensa. Es belegt, dass auch die „linken“ Studenten längst dem Machbarkeitswahn erlegen sind.
DETLEF KUHLBRODT
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