berliner szenen: Sexy Sachthemen
Neue Zeitrechnungen
Die wechseln ziemlich schnell in diesen Tagen, die neuen Zeitrechnungen. Da stand doch letzte Woche bei Kaiser’s in der Winsstraße plötzlich ganz unvermittelt der erste Verkaufsstand mit Lebkuchenherzen, Nikoläusen und dergleichen mehr. Dieser Stand wies darauf hin, was Sache sein wird in den nächsten 65 Tagen: Weihnachten, Fest der Liebe, Fest der Einkehr, Fest im Griff des Einzelhandels. Keine Spur mehr von einer amerikanischen Flagge, die hier eine Zeit lang im Schaufenster hing, und in der näheren Umgebung nur noch Restspuren von einem Wahlkampf, der seit dem 11. September angeblich kein richtiger mehr war: Hier nochmal „Berlin bewegen“, dort nochmal „Vielfalt statt Einfalt“, und an irgendeiner Laterne hing auch noch „Äppel für @lle“, der wohl größte anzunehmende Wahlwerbemurks, weil wörtlich übersetzt „Äppel für ätlle“. (Äppel für Schättle?)
Doch manchmal haben die vielen neuen Zeitrechnungen auch ihr Gutes. Denn lange hätte man es nicht mehr ertragen mit den vielen schlappen Werbeplakaten, mit den fünf Spitzenkandidaten, die im Radio sich erinnern, wie sie in ihrer Jugend Gerry Raferty, Whitney Houston, die Beatles oder Simon & Garfunkel gehört haben, mit dem vielen Lärm um dann doch leider so wenig: den Bürgermeister einer Stadt zu wählen, die total pleite ist; den Bürgermeister einer Stadt zu wählen, deren Zukunft auch nur rot-grün aussehen dürfte, mit ein wenig Gelb gesprenkelt oder dunkelrot übertüncht. Ein Schelm, wer da an Aufbruch denkt. Da freut man sich doch richtig, wenn es jetzt wieder heißt: Zurück zu den Sachthemen, und seien sie noch so trocken, zurück zur Tagespolitik, und wenn es nur um einen neuen Kinderspielplatz in Prenzlauer Berg geht. gba
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