berliner szenen: Silvesterschäden
Hoffen auf den Glückston
Vor ein paar Jahren haben mir böse Pubertierende einen Böller ins Auge geworfen, ich musste in die Notaufnahme und eine Weile mit Augenklappe rumlaufen. Seitdem bin ich schwer silvestergeschädigt, und ich vermeide es, zwischen dem 30. 12. und dem 2. 1. überhaupt auf die Straße zu gehen. Erst recht, seit ich in Kreuzberg wohne. Wenn es mal gar nicht anders geht, setze ich mir zum Rausgehen eine Schwimmbrille auf. Das sieht natürlich genauso scheiße aus wie eine Augenklappe, macht aber Sinn. Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Wenn man zum Jahreswechsel schon keine guten Vorsätze fasst, kann man seine Umgebung wenigstens mit selbstgerechten Sprüchen nerven. Und wer sich meiner so schämt, der soll halt 20 Meter vorausgehen. Ist ja sowieso besser, wenn es zwei potenzielle Zielscheiben gibt, das halbiert die Risiken.
Die Motive der Böllerwerfer zu ergründen, das habe ich schon länger aufgegeben – und damit auch die Hoffnung, ihnen etwas entgegensetzen zu können. Trotzdem bin ich dieses Jahr zum ersten Mal wieder richtig gespannt auf die Neujahrsnacht. Schuld daran ist eine Meldung aus der Bild-Zeitung. Da stand kürzlich, dass der Radiosender rs 2 an Silvester einen Glückston ausstrahlen will, über sendereigene Frequenzen und über die Lautsprecher rund ums Brandenburger Tor. Der Glückston soll aus einer „speziellen Mischung von Hochfrequenztönen“ bestehen und „die Glückshormonproduktion im Körper an regen“. Welche böllertechnischen Konsequenzen solch ein Hochfrequenzton-induziertes Glücksgefühl mit sich bringen soll, weiß ich natürlich nicht. Aber die vorrangige Frage ist ja auch zunächst: Wie bringt man die potenziellen Hooligans dazu, rs 2 zu hören? STEPHANIE GRIMM
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