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berliner szenenBaubranche schifft ab

Arbeitspensum erfüllt

Der Mitbewohner schleifte den Schreibtisch ab. Hätte nicht gedacht, dass das geht. Es ist immer praktisch, wenn neue Mitbewohner auch Tischler sind. Oder waren. Denn der individuelle Möbelbau ist am Abschiffen wie die Baubranche ja auch. Deshalb macht der Neue eine neue Ausbildung. Es war jedenfalls Nachmittag, und das Arbeitspensum war schon erfüllt. Von der Uhr her war es vielleicht später Nachmittag, fünf Uhr, doch draußen war es schon dunkel, also eigentlich doch abends so vom Gefühl her, Tagesende. Nachgerade winterlich, und man dachte, hoffentlich ist es morgen nicht so kalt beim Fußball. Während er den Tisch abschleifte, war ich noch einmal nach draußen gegangen, um dem Lärm aus dem Weg zu gehen und Siemer’s Schwarzen Johannisbeersaft zu kaufen. Siemer’s Schwarzer Johannisbeersaft ist der Hit und gar nicht teuer. Als ich zurückkam, roch es nach Holz, Holzstaub überall so ähnlich wie damals, als Piotr den Boden abgeschlifen hatte und dann für zwei Monate verschwunden war. Ich fegte den Staub auf. Dann rauchten wir. Er sagte, die Asche der billigen Kohle sei schwerer als die Asche von Union und Rekord. Die Edelmarken kosten etwa ein Drittel mehr als die ungeordneten Kohlen aus Polen oder Tschechien, die wir gekauft hatten. Die billige Ausschussware verbrennt nicht so heiß und effektiv und braucht länger, bis sie anbrennt. Weil die Asche schwerer ist, verschmutzt sie den Raum aber auch nicht so sehr wie die teuere Kohle, dachten wir uns auf der besseren Seite. Später ging ich ins Café Einstein und sagte: „Ich hätte gern ein Kristallweizen.“ – „Oh ho, das ist was Feines!“, sagte der Kellner. Der Journalist Greffrath rauchte am Nebentisch und sah so aus wie der Dichter Thomas Kapielski. DETLEF KUHLBRODT

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