berliner szenen: Die lieben Mitvierziger
Partygespräche
Kürzlich feierte ein Freund von mir seinen vierzigsten Geburtstag. Eine feine Sache eigentlich, weil auf solchen Feiern meistens sehr fröhlich und geradlinig Schnaps getrunken wird. Wären da nicht die anderen Gäste. Ich nenne ihn mal Christian. Dieser sagt, als wir über das so überaus beliebte Partythema Selbstmord diskutieren: „Ich könnte mich nicht selber umbringen, das hat Gott verboten.“ Meine Frage nach Kirchen- oder Religionszugehörigkeit verneint Christian entschieden. „Aber, woher weißt du denn dann, dass Gott das verboten hat?“ – „Das steht in der Bibel!“ – „Aber die ist von Menschen geschrieben! Menschen haben ausgewählt, welche Texte aufgenommen werden!“ Daraufhin Christian.: „Da hatte Gott seine Finger mit drin, was in die Bibel kommt.“
Meine Tischnachbarin wiederum, nennen wir sie Tamara, erzählt mir, dass in allen Zeitungen nur Dreck stehe. Deshalb lese sie nur italienische Zeitungen, um Informationen zu bekommen und ihre Sprachkenntnisse zu trainieren. Bevor ich zu einem Einwand ansetzen kann, sprudelt es weiter aus ihr heraus, Sie, die ja früher Sanyassin war („die waren gar nicht so schlimm, das haben nur die Zeitungen hochgepusht“), sie also befürchte, dass ihre Töchter dumm gemacht würden. Obwohl sie nur eine Fernsehsendung pro Woche im Kinderkanal sehen dürfen. Britney Spears, Barbie, Green Day, die Playstation 2, gegen die Einflüsse ihrer Mitschülerinnen hätte sie keine Chance. Zum Glück schafften die in den meisten Fällen ja gar nicht den Sprung ins Gymnasium. „Ich setze meine Kinder nicht unter Druck, aber ich habe Angst, dass sie verblöden, obwohl ich ein Klavier und für die Jüngste eine Geige gekauft habe und mit ihnen über Tolstoi rede.“ WERNER LABISCH
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