: berliner szenen Wo rauchen?
Geheimnisse
Rauchen in der Öffentlichkeit wird bald ganz verboten sein. Mir ist das egal, ich rauche nur heimlich, im Dachzimmer, wo es drei Fenster gibt, so kann der Rauch gut entweichen. Manchmal vergesse ich, die Fenster zu schließen, es regnet rein, und ich muss einen Tag später die Wasserflecken überstreichen. Asche und Kippen lasse ich im Klo verschwinden, nicht etwa im Mülleimer, sonst riecht Peer die Asche. Nicht, dass ich Angst vor ihm hätte. Wir haben uns nur versprochen, nicht mehr zu rauchen. Was soll aus den Kindern werden, wenn wir an Lungenkrebs sterben?
Warum ich es trotzdem mache? Ich bilde mir ein, dabei zu entspannen. Ich rauche ja nur zwei Zigaretten am Tag, von Montag bis Freitag und dann bloß vormittags. Bis Peer nach Hause kommt, riecht man nichts mehr. Und er ist nicht besser als ich. Das Feuerzeug ist nämlich weg. Also hat er es mit zur Arbeit genommen, was nur bedeuten kann, dass er auch heimlich raucht.
Die leeren Zigarettenschachteln könnten im Hausmüll auffallen, ich werfe sie in einen Mülleimer am Supermarkt. Vielleicht bin ich meiner Zeit voraus. Ich stelle mir vor, irgendwann lassen alle Leute ihre Schachteln heimlich verschwinden. Suchen Plätze, an denen sie niemand sieht beim Rauchen, nicht mal Katze oder Hund. Und eines Tages weiß tatsächlich niemand mehr, worum es einmal ging. Man hat das Wort Rauchen aus dem Wortschatz gestrichen, führt kleine Stäbchen in Schachteln bei sich, am Grunde der Handtasche, ohne den Inhalt noch mit Namen zu kennen: Ach, das ist nur so was zur Entspannung für einsame Momente. Aber entspannt man noch, wenn man verstecken, verheimlichen, verbergen muss?ANNETTE SCHWARZ
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