: berliner szenen Umzugsprobleme
Die Bücher müssen weg
Es gab zu viele Bücher hier. Die mussten weg. Als freier Unternehmer seiner selbst hatte man in der neuen Wohnung einen entschiedenen Bücherplatzabbau angeordnet. Bücher auszusortieren ist traurig. Die Bücher, die im Flur gestanden hatten, waren zuvor schon aus den Lebensräumen aussortiert worden und hatten ein, zwei Jahre nur noch eine eher dekorative Funktion gehabt; gefüllte Bücherregale wirken beruhigend durch die gemischten Farben der Buchrücken.
Die Bücher mussten trotzdem weg, man hatte sie mal gelesen oder nicht gelesen und die Erfahrung der letzten Jahre lehrte, dass man sie nicht mehr brauchte: die alten, grauenhaften Rock- und Jazzlexika, die Bücher, die man mal rezensiert hatte, Bücher aus der Kindheit des Vaters, die man in seiner Wohnung nicht mehr haben wollte, das gesammelte Werk eines ehemaligen Bachmannpreisträgers, den man live dann besser gefunden hatte als gedruckt, Bücher von Hermann Hesse, die man als Teenager mit Begeisterung verschlungen hatte, Bücher von Freunden sogar und die Uniunterlagen und studienunterstützenden Bücher.
Nur die Uni wegzuschmeißen, war wirklich ein Vergnügen. Der Rest. Nun ja. Auch wenn man weiß, dass es moralischerseits keinerlei Unterschied macht, Geschirr, alte Schuhe oder Bücher wegzuschmeißen – überall ist geronnene Arbeits- und Lebenszeit drin – und dass es eigentlich am Vernünftigsten wäre, die Bücher zu verbrennen, kommt es einem unmoralisch vor. Kriegt man nicht übers Herz. Später kam eine nette Antiquarin und nahm das meiste. Einige der Bücher werden schnell neue Freunde finden, andere die nächsten Jahre im Antiquariat verstauben und den Rest wird der Antiquar wegschmeißen müssen. So ist man fein raus. DETLEF KUHLBRODT
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