berliner luft: Merkels Sommer
die berlin-parlaments-kolumne
von Anja Maier
Was für ein schöner Satz. „Über private Termine der Bundeskanzlerin informiere ich ja hier regelmäßig nicht“, lautete die Antwort des Regierungssprechers Anfang dieser Woche auf die Journalistenfrage nach den Urlaubsplänen der Kanzlerin. Und tatsächlich, „regelmäßig nicht“ informiert Steffen Seibert darüber, wann die Kanzlerin ihre alljährliche Sommerpause einlegt.
Es wäre ja, nur mal zum Beispiel, interessant zu erfahren, wann Angela Merkel in diesem Jahr Zeit für ihren Besuch in der Bundespressekonferenz findet. Dann könnte man redaktionell schon mal planen. So viel ist aber klar: nicht während ihres Urlaubs. Wann der ist, darüber informiert ihr Sprecher … siehe oben.
So bleibt nichts anderes als Statistik. Mal sehen. 2016 tauchte Angela Merkel am 28. Juli vor der blauen Wand auf. Im Jahr zuvor am 31. August. 2014, das erste Dreivierteljahr der Großen Koalition war rum, kam sie wiederum schon Mitte Juli, ebenso im Wahljahr 2013. Das ergibt kein stimmiges Bild.
Weit kommt sie ohnehin nicht. Die Bild-Zeitung hat schon mal rausposaunt, in welchem Südtiroler Hotel Frau Dr. Merkel und Herr Prof. Sauer absteigen werden. Damit es die Bild-„Leserreporter“ leichter finden, um mit ihren Smartphones unvorteilhafte Fotos von den beiden schießen zu können.
Vorher geht’s, ebenfalls laut Bild, wie jedes Jahr ins Bayreuther Festspielhaus, wo am Dienstag kommender Woche Wagners „Meistersinger“ Premiere haben. Dieses Jahr versucht sich der Australier Barrie Kosky daran. Sechseinhalb Stunden sind geplant, einschließlich Pausen.
Vor zwei Jahren ist während einer solchen Pause Merkels Stuhl zusammengebrochen. Die Bild, von der man sich mitunter fragt, ob sie stets eine lautlose Merkel-Drohne mitschweben lässt, meldete augenblicklich einen Zusammenbruch der kompletten Kanzlerin. Stimmte aber nicht – es lag ausschließlich am morschen Mobiliar. Die Bild-Zeitung musste dementieren. Und die sonst bei diesem privaten Vergnügen nie etwas sagende Merkel erklärte anschließend gar: „Es hat mir gut gefallen.“
Ja, das sind so Geschichten. Es war der 25. Juli 2015. Zehn Tage später ereignete sich wirklich etwas. Die Bundesregierung erlaubte den verzweifelt durch Europa ziehenden Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland. Die Bild titelte: „Merkel beendet die Schande von Budapest“. Würde sie heute vielleicht gern dementieren. Geht aber nicht. Denn das war ein Satz für die Ewigkeit.
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