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■ berlin spinntDraußen stehen noch Tomaten

Es waren die guten Tomaten. Die, wo der Strauch noch halb dran ist. Denn frau wollte sich nicht lumpen lassen, am Samstag in Berlin auf dem Konreß „Wie weit flog die Tomate? 68erinnen-Gala der Rexlexion“. Obwohl: Sigrid Damm- Rüger hat vor 30 Jahren bestimmt zur gemeinen, kostengünstigen, wahrscheinlich auch schon etwas weicheren, weil wurfgeeigneteren, Hollandtomate gegriffen, um das revolutionäre Patriarchat seiner Bestrafung zuzuführen.

Egal. „Das Leben ist viel komplizierter geworden“, wußte Erika Fischer („Aimée und Jaguar“) den von überall angereisten Damen zu berichten. Hach, damals war ja alles so bewegt und so schön und so aufregend und so wahnsinnig politisch. „Die Zeit der Frauenbewegung war die glücklichste meines Lebens.“

Sie persönlich hätte übrigens heute, im komplizierten Leben, den Grünen Cem Özdemir als Integrationsbeauftragten der deutschen Bundesregierung bevorzugt. Und eben nicht die Frau, Marieluise Beck, die es schließlich wurde. Marieluise Beck, nun nicht mehr nur bewegt, sondern in Amt und Würden, sagte ihre Kongreßteilnahme kurzfristig ab.

Auch ihre Wichtigkeit Alice Schwarzer, die unsereins gerne gefragt hätte, wie sie eigentlich damit fertig geworden ist, daß nicht sie, die einzig-wahre Heldin der feministischen Bewegung, die Tomate warf oder wenigstens – statt Helke Sander – die Rede dazu hielt, war nicht zugegen.

Dafür aber die Journalistin Viola Roggenkamp, die jahrelang parallel zur Zeit auch für die Emma schrieb und natürlich nicht allein anzumerken hatte, daß „die Entdeckung der Klitoris zur Entblößung des Mannes führte“. Mit den Worten „Auf Wiedersehen, du treulose Tomate“, wurde sie stets in Köln verabschiedet, wenn sie „ins Herrenhaus“ nach Hamburg zurückfuhr.

Es gibt Frauen, sagte Roggenkamp, die glauben, daß das, was sie können, andere Frauen einfach nicht können, sondern nur sie. „Und damit meine ich nicht nur Alice Schwarzer.“

Weniger dezent pflegt sich taz- Chefredakteurin Bascha Mika, Autorin des Titels “Alica Schwarzer. Eine kritische Biographie“, zu der Emma-Herausgeberin zu äußern. Und auch auf der Abschlußpodiumsdiskussion des Kongresses machte sie sich keine neuen Freundinnen. Die „formale Gleichstellung“, so Mika, sei doch längst erreicht. Warum also, kommen die Frauen, die Politikerinnen allemal, nicht in die Puschen? Buh! Buh! Buh!

Die Zuhörerinnen waren nicht eben begeistert. Ist das denn überhaupt eine 68erin? Man müsse doch einsehen, fuhr Bascha Mika ungerührt fort, daß Frauen nun mal nicht von Natur aus die besseren Menschen seien. Es gibt doch Differenzen!

Da platzte Maren Bock (Belladonna, Bremen) der Kragen. Vom Saalmikrofon aus schrie sie: „Alles kalter Kaffee!“ Und: „Wir sind in unseren Diskussionen längst schon viel weiter!“ Diese Plattitüden seien ja wohl unerträglich! Man möchte sich dieser harten Kritik natürlich nicht anschließen (in diesen schwierigen Zeiten, zumal wo gerade die Altersarmut von Kate Millet publik wurde, sollte frau an ihren Arbeitsplatz denken).

Auf jeden Fall waren die Besucherinnen entfesselt. Die Frauen auf dem Podium seien der niveaulose Abschluß eines niveauvollen Kongresses. Eine Schande sei das. Beschämend.

Diese Mascha Bika, oder wie sie heißt, und auch die anderen sollten gefälligst die Klappe halten. Sofort abbrechen. „Draußen stehen“, brachte eine Rednerin die Stimmung langsam zum Höhepunkt, „übrigens noch Tomaten.“ Silke Mertins

Bericht Seite 7

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