bedingungsloses grundeinkommen: Wenn, dann radikal
Geld vom Staat für alle? Das funktioniert nur mit dem richtigen Modell
KilianJörg
lebt als Künstler und Philosoph in Wien und Berlin.
Jorinde
Schulz
ist Politikwissenschaftlerin, Philosophin und Autorin. Zurzeit schreibt sie über Verfügbarkeitszwänge und digitale Hörigkeiten.
Von Kilian Jörg und Jorinde Schulz
Über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird in vielen westlichen Staaten diskutiert. Das Zerfallen des Sozialstaats, die Prekarisierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und eine hochtechnologisierte Produktion geben dazu reichlich Anlass. Zur letzten Bundestagswahl konnte man das BGE mit der Ein-Thema-Partei „Bündnis Grundeinkommen“ sogar wählen. Den Wahlkampf prägte diese Vorschlag für eine radikale Sozialreform trotzdem nicht. Noch hat sich keine der etablierten Parteien durchgerungen, das BGE in ihr Programm aufzunehmen.
Bei den Grünen sind viele der Idee gegenüber offen – auch wenn die bisherigen Konzepte laut Renate Künast „noch nicht ausgereift“ sind. Bei der Linkspartei hat das Grundeinkommen mit Katja Kipping sogar in der Parteispitze eine mächtige Fürsprecherin. Selbst innerhalb der FDP und SPD gibt es Stimmen, die es in Erwägung ziehen. Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein hat sich mit ihrem „Zukunftslabor“ ein Grundeinkommens-Experiment vorgenommen. Auch innerhalb der traditionell zurückhaltenden Gewerkschaften gibt es Bewegung, sicherlich nicht zuletzt unter dem Eindruck eines andauernden Systems von Hartz-IV-Demütigungen.
Bisher ging der Impuls für das BGE von unternehmerischen Kleinprojekten wie der Crowdfunding-Mission „Mein Grundeinkommen“ oder der anthroposophisch geprägten „Grundeinkommensinitiative“ aus. Diese Initiativen halten das BGE für ein notwendiges Update für den Sozialstaat, das auf Veränderungen der Arbeitswelt reagiert und durch eine Linderung des Existenzdrucks individuelle Freiheit befördert. Durch Digitalisierung und Technologisierung, so die Annahme, fallen zukünftig immer mehr Arbeitsplätze weg. Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei dazu geeignet, die sozialen Folgen dieser als unvermeidbar dargestellten ökonomischen Entwicklung abzufedern. Aus diesem Grund wird das BGE seit einigen Jahren sogar von Wirtschaftsbossen wie Telekom-Chef Timotheus Höttges und Tesla-Vorstand Elon Musk befürwortet und erlebt einen Sympathieaufschwung im Silicon Valley.
Diese neuen Befürworter schüren wiederum im linken Lager Bedenken, dass das BGE als eine Art Beruhigungspille für von Digitalisierung und Outsourcing überflüssig gemachte Arbeitskräfte dienen soll, damit diese die Ordnung des Kapitalismus nicht bedrohen. Die gewonnene Freizeit würden sie dann in die kostenlose Optimierung sozialer Plattformen und das erhaltene Sümmchen in den Konsum billig produzierter Güter stecken. Gegenwärtige Ausbeutungsstrukturen würden also weiter am Laufen gehalten, existierende Sozialsysteme noch weiter ausgehöhlt.
Das Grundeinkommen birgt die Chance, Arbeitsverhältnisse und Lebensformen radikal zu verbessern – gerade weil es das überholte, inhärent sexistische (weil zum Beispiel die Kindererziehung vernachlässigende) Modell der Lohnarbeit unterwandert. Und doch: In dem viele Modelle die Annahme einer quasi natürlich fortschreitenden Technologisierung und einer damit einhergehenden Arbeitsreduktion unhinterfragt hinnehmen, verschleiern sie zweierlei. Erstens, dass beides auf globalen Ungleichheiten beruht. Und zweitens, dass man das Grundeinkommen auch anders gestalten kann.
Es kommt also auf das richtige Modell an, damit sich das BGE nicht als Bewahrer oder gar Beschleuniger bisheriger ökonomischer Kreisläufe erweist. Vielversprechend ist der Entwurf des schwedischen Ökologen Alf Hornborg. Dieser ist sowohl sozial-solidarisch als auch ökologisch-nachhaltig gedacht. Seine Grundlage ist die Schaffung eines lokalen Wirtschaftskreislaufes durch die Einführung einer alternativen Währung. In dieser „Komplementärwährung“ (CC), die nur für Produkte verwendet werden darf, die innerhalb eines begrenzten Radius produziert worden sind, soll das Grundeinkommen ausgezahlt werden.
Hierbei geht es um viel mehr, als den Status quo erträglicher zu machen. Hornborgs Modell will die Probleme wirtschaftlicher Asymmetrien nicht nur durch nachträgliche Umverteilung lindern, sondern sie an ihrer Wurzel packen. Die Ungerechtigkeiten des heutigen Wirtschaftssystems haben nämlich vor allen Dingen etwas mit dem Design ihres allgemeinen Kommunikationsmediums (Niklas Luhmann) zu tun: Geld.
Euro, Dollar und Co sind auf globaler Ebene universell eintauschbar. Das ermutigt und verstärkt das Ausnutzen globaler Ungleichheiten. 500 Euro, der Preis eines Smartphones, lassen sich in reichen Ländern wie Deutschland in zwei durchschnittlichen Arbeitswochen erwirtschaften. Ein*e Arbeiter*in in China würde dafür Monate brauchen. Die durch solche universalen Währungen bedingten Unterschiede führen zu einer massiven Konzentration von Ressourcen und technologisch komplexen Produkten in reichen Ländern.
Solange also global prinzipiell alles beliebig umtauschbar ist, wird bei den herrschenden Ungleichheiten ein bedingungsloses Grundeinkommen – welches übrigens nur innerhalb der reichen Länder diskutiert wird – die auf denselben Ungleichheiten basierende wirtschaftliche Ordnung zementieren. Die Skepsis gegenüber dem BGE ist also verständlich.
Sie sollte aber als Anstoß zum Weiterdenken gesehen werden. Denn führte man das BGE in einer von Hornborg vorgeschlagenen Komplementärwährung ein, die lokal begrenzt wäre, böte man eine tatsächliche Alternative. Das in dieser Währung ausgezahlte Grundeinkommen ginge einher mit der Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe und würde das Paradox bisheriger BGE-Vorschläge, solidarisch sein zu wollen und ökonomische Privilegien auf globaler Ebene eigentlich noch zu verstärken, zumindest abschwächen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen nach diesem Prinzip vereint ur-grüne und ur-linke Anliegen – und könnte den Anstoß für einen im Wortsinne radikalen sozialökologischen Umbau geben.
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