: „bbi- transfer“: Konkurs abgewickelt
■ Senat zahlte 370.000 Mark / Konkurs-Geschäftsführer wurde Bremen-Repräsentant in Bonn
Seit dem 1. Dezember hat das Bundesland Bremen einen Bonner Vertreter mehr: Ohne großes öffentliches Aufsehen ist Christian Bruns beim Senator für Bundesangelegenheiten angestellt worden, um sich in der Bundeshauptstadt um Gäste, um Besuchergruppen und um einen EG-Ausschuß des Bundesrates zu kümmern.
Zumindest mit letzterem Thema kennt er sich aus: Am 27. August 1993 hatte Bruns mit seiner Firma „bbi-transfer“ Konkurs angemeldet, 370.000 Mark EG-Gelder weg, zweckentfremdet.
Bruns, ehemals EG-Referent im Rathaus, hatte 1989 mit einem Polster von Kontakten und Staatsaufträgen den Sprung in die freie Wirtschaft gewagt und sich als Unternehmer im Beratungs-Geschäft Osteuropas betätigt. Aus- und Fortbildung, Marketing-Beratung, Tourismus-Förderung, Rüstungs- Konversionsberatung, Umwelt- Beratung – es gab eigentlich nichts, wo sich das kleine Firmen-Konstrukt der bbi-transfer nicht kompetent fühlte. Als „transfer“ nach vierjähriger Gründungs- und Aufbau-Arbeit mit Pauken und Trompeten pleite ging, da ergab der erste Blick auf die Kassenlage: Bruns hatte offenbar auch gewußt, wie man zweckgebundene EG-Gelder als Risiko-Kapital für den eigenen Geschäftbetrieb abzweigt. 370.000 Mark EG-Gelder für ein Projekt Umwelt-Beratung in Riga, die der Bremer Umweltsenator der Firma transfer anvertraut hatte, waren schlicht weg. Hamburg hatte im Vertrauen auf einen guten Rat aus Bremer transfer mit seinem Umweltberatungs-Projekt in Petersburg beauftragt und den entsprechenden Zuschuß verloren. Ob das Veruntreuung war, wird nie ein Gericht prüfen: Weder Bremen noch Hamburg stellten Strafanzeige. „Weil da nichts zu holen ist“, sagt die Sprecherin der Hamburger Umweltbehörde.
Daß der Bremer Umweltsenator den Unternehmer nicht härter anging, hängt sicherlich auch mit dessen guten Kontakten zusammen. Da Bruns mit sechsstelligen Summen auch persönlich in dem Konkurs drinhängt, kam Mitleid hinzu. Der Umweltsenator besorgte die 370.000 Mark für Riga, die Bruns zweckentfremdet ausgegeben hatte, aus bremischen Haushaltsmittel neu, damit das EG-Projekt nicht abgebrochen werden mußte: 190.000 Mark wurden bei Ausgleichszahlungen für die Müllbeseitigungs-Anlage (MBA) Bremerhaven einkassiert und 130.000 Mark aus dem allgemeinen Etat entnommen mit der formellen Begründuung, daß bisher ungenutzte EG-Gelder für ein Öko-Projekt „Salzgranulat“ und für ein Projekt „Ölige Stoffe“ die Bremer Schuldenlast verringern und rein rechnerisch Zinsen angefallen wären, die dem Umweltressort zustünden.
Während das Land Bremen zahlen mußte, hatte sich das Berufsbildungs-Institut BBI (eine Tochterfirma der Angestelltenkammer, aus der bbi-transfer hervorgegangen ist), rechtzeitig bedient: Die gesamten Schulden von 550.000 Mark seien gesichert, hatte BBI- Geschäftsführer Graubner drei Tage nach dem Konkurs-Antrag mitteilen können. Damals wußte niemand, wie er das geschafft hatte.
Dem Geschäftsführer der DAG, Hartmut Frensel, im Parlament der Angestelltenkammer in der Opposition, liegt nun ein brisantes Schreiben des Sequesters im transfer-Konkurs vor. Danach hat das Berufsbildungs-Institut, das die Buchhaltung für „transfer“ gemacht hat, zwei Wochen vor Anmeldung des Konkurses vom transfer-Geschäftsführer das gesamte Anlagevermögen der ostdeutschen transfer-Töchter als Sicherheit überschrieben bekommen. „Diese Vereinbarung erscheint anfechtbar“, schreibt der Sequester am 28.10.1993. Aber da hatte BBI längst Fakten geschaffen: Unmittelbar nach dem Konkursantrag, noch Ende August hatte BBI die Computer und andere bewegliche Gegenstände des Anlagevermögens in Osteuropa eingesammelt und nach Bremen geschafft. „Das riecht nicht nur nach Schmu“, sagt DAG-Geschäftsführer Frensel, „das ist was für den Staatsanwalt.“
Als der Sequester nach dem Wert der beiseitegeschafften Gegenstände fragte, hat die BBI ihm erklärt, erstens seien die „von einfachem Standard“ und zweitens hätten sie seitdem unter einer „hohen Beanspruchung im Unterrichtsbetrieb“ gelitten.
Die Umweltbehörde hatte offenbar nicht derartige Insider-Informationen über den bevorstehenden Konkurs und mußte deshalb die verlorenen Gelder aus Steuermitteln ersetzen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Antwort auf die Frage ihren besonderen Reiz, warum transfer mit dem Riga-Projekt beauftragt wurde. Mit Unterschrift Wedemeier erklärte das der Senat damit, die „implizite Präsenz“ der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Angestelltenkammer über ihre Tochterfirma BBI habe den „entscheidenden Vertrauenshintergrund“ geschaffen.
In Brüssel hat man offenbar das Vertrauen in das Kürzel „BBI“ vollends verloren: Als ruchbar wurde, daß der Senat mit einer Bremen-Präsentation, die der „transfer“ als Auftrag zugeschanzt worden war, nun BBI beauftragen wollte, winkte das Bremer Verbindungs-Büro in Brüssel ab und regte an, doch lieber das Ganze zu verschieben als jetzt in Brüssel mit „BBI“ aufzutauchen.
Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Kuhn verstand offenbar die Kultur der kurzen Wege in Bremen nicht und warf Ende Oktober 1993 die Frage auf, „welche Konsequenzen für die Verantwortlichen von transfer die vertrags- und rechtswidrige Verwendung von öffentlichen Geldern haben wird“. Eine Antwort erhielt er damals nicht.
Heute ist die Antwort klar: Der Staatsrat für Bundesangelegenheiten, Ex-Abteilungsleiter aus dem Rathaus, nahm den verantwortlichen transfer-Geschäftsführer als Bremer Repräsentanten in Bonn und für EG-Angelegenheiten in seine Dienste. K.W.
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