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barbara dribbusch über GerüchteWir bleiben in Kontakt

Wer arbeitssüchtige Millionenerben und liebenswerte Arbeitslose kennt, der weiß: Mir geht es doch ganz gut

Über Geld zu verfügen, das man nicht selbst verdient hat, ist eine heikle Sache. Thomas, mein Bekannter aus alten Zeiten, hat mir das früher mal erklärt: „Man ist so ausgegrenzt, innerlich.“ Es ist eben nicht einfach, einer Erbschaft von zwei Millionen Mark sicher zu sein und trotzdem noch eine normale Lebensplanung zu betreiben. Doch mein Mitleid hält sich in Grenzen.

Auch meine frühere WG-Freundin Chris hat ein Problem mit dem Geld, das sie bekommt, aber nicht selbst verdient hat. Seit Jahren schon lebt sie vom Arbeitsamt, immer dem Restanspruch aus der letzten Beschäftigungsmaßnahme in einem Obdachlosentreff oder Seniorenheim. Sie würde sofort einen richtigen Job annehmen, „wenn die etwas Passendes hätten“, meint die studierte Sozialpädagogin. Chris wartet immer auf irgendeinen Termin beim Arbeitsamt. Sie ist so defensiv.

Thomas hingegen hat immer viel unternommen, um möglichst lebenstüchtig zu erscheinen. Während seines Studiums der Architektur ist er nebenbei Taxi gefahren („wenn um vier Uhr nachts die Papierkörbe anfangen zu winken, dann weißt du: Jetzt bist du am Ende“). Heute ist er ein erfolgreicher Architekt.

Thomas war immer politisch links eingestellt und wählte Grün, was mitunter zu komischen Verwicklungen führte. Mir ist noch seine 40.-Geburtstags-Party in Erinnerung, als er einen Partyservice bestellte, der als Personal drei Schwarze schickte, einfach deswegen, weil nun mal Leute aus Ghana bei dem Service jobbten. Also werkelten schwarze Spüler, die karierten Geschirrhandtücher umgebunden, in Thomas’ Küche. Eine junge Schwarze lief zwischen den Gästen herum und sammelte schmutziges Geschirr ein. Schwarze Spüler auf einer Party mit weißen Linksintellektuellen! Ich musste damals grinsen. Thomas nuschelte irgend was von „hab ich vorher nicht gewusst, dass dort Afrikaner arbeiten“. Er hätte ihnen ja wohl auch schlecht absagen können mit den Worten: „Tut mir Leid, Jungs, aber ich will nicht als rassistischer Spätkolonialist gelten, also schickt bitte ein paar weiße Studis!“ Absurd. Thomas kämpft mit den konkreten Folgen des Wohlstands.

Chris hingegen bewegt sich mehr im Allgemeinen. In ihrem Weltbild bevorzugt sie einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. „Wenn nicht überall bei den öffentlichen Geldern gekürzt würde, fände ich leichter einen richtigen Job.“

Vor einem Jahr hat sie das Angebot einer festen Vollzeitstelle in einem Heim für Demenzkranke abgelehnt. Das schaffe sie nicht, erklärte sie damals: „Ja, wenn es nur ein Teilzeitjob wäre, dann vielleicht schon.“ Aber von morgens bis abends schwer kranke Menschen waschen und füttern, für 2.100 Mark netto, „das packe ich körperlich nicht“.

Chris ist ansonsten sehr hilfsbereit. Wenn sie in keiner Maßnahme steckt, arbeitet sie ehrenamtlich für den Tierschutzbund. Für die alte, gehbehinderte Dame im dritten Stock kauft sie regelmäßig ein. Vor Jahren war sie mal wegen einer schweren Magersucht in Behandlung und hat daher ein Herz für die Schwachen. Außerdem ist Chris die einzige Freundin, mit der ich nach einem gemeinsamen Essen auch mal nur Fernsehen schauen kann, ohne gleich als kommunikationsarm zu gelten.

Kürzlich half ich Chris beim Umzug. Drei Fahrten mit meinem Auto genügten für den Schreibtisch, die Bücher und ein paar Küchenmöbel. Als Letztes transportierte ich Katze und Hund. Ihre neue Einzimmerwohnung mit Ofenheizung ist kleiner als die alte, die Miete kostet 400 Mark. Sie lebt so ganz anders als Thomas.

Doch manchmal gehen mir Chris und Thomas gleichermaßen auf die Nerven.

Thomas ist seit einigen Jahren ständig im Berufsstress, über den er stundenlang jammern kann. Mit seiner Arbeitssucht nervt er Frau und Kinder. Jetzt hat er noch eine Professur in Aussicht.

Vor einiger Zeit habe ich ihm mal beim abendlichen Rotwein vorgeschlagen, er solle sich doch einfach ausklinken aus der Konkurrenzgesellschaft, er könne als Millionenerbe doch einfach nur Aufträge annehmen, auf die er Lust hätte, und sich ansonsten ausgiebig um die eigenen Kinder kümmern. „Vielleicht wäre es sogar deine gesellschaftliche Pflicht als linker Erbe, den Arbeitsmarkt zu entlasten“, theoretisierte ich. „Das geht gegen meine Würde“, meinte er entrüstet. Es war nichts zu machen.

Aber auch mit Chris ist schwer zu reden. Mich hat schon mal der Gedanke beschlichen, ob die ständige Arbeitslosenunterstützung gut war für sie. Vielleicht wäre in ihrem Leben alles anders verlaufen ohne das Geld vom Arbeitsamt und die ABM-Stellen, vielleicht hätte sie dann den Job im Pflegeheim doch annehmen müssen . . . mir sind solche Gedanken unangenehm. Ein Problem der Sozialpolitik besteht darin, dass immer Leute, denen es besser geht, über Leute urteilen, denen es schlechter geht. Oder umgekehrt. Wir bleiben jedenfalls in Kontakt.

Fragen zu Gerüchten?kolumne@taz.de

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