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barbara dribbusch über GerüchteEine schreckliche Frauenrunde

Nicht alle Gespräche unter Frauen sind angenehm – manchmal sehnt man sich nach dem Pferderipper

An jenem Freitagabend war ich mit meiner Bekannten K. beim Edelitaliener verabredet. Doch K. hatte überraschend noch ein paar ihrer Freundinnen hinzugebeten und plötzlich fand ich mich in einer jener Runden wieder, wo plötzlich fremde Frauen anfangen, in vertraulichem Ton über Männer zu reden. Um genau zu sein: über heterosexuelle Männer. Um noch genauer zu sein: über heterosexuelle Männer und Sex. Das sind so Abende, an denen man plötzlich eine Idee bekommt, wie der Wahnsinn funktioniert. Aber der Reihe nach.

Vielleicht noch ein paar Vorbemerkungen, um nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts grundsätzlich gegen Frauenrunden. Noch gut in Erinnerung ist mir jener wundervolle Abend im Herbst draußen auf der Wiese bei meiner Freundin P., die mit bescheidenen Mitteln eine kleine Pferdezucht betreibt. P. schlief damals draußen, um ihre Tiere zu bewachen. In der Gegend sollte sich der Pferderipper herumtreiben, ein Quäler, der Stuten den Bauch aufschlitzt.

Ich nahm die Gelegenheit wahr, die Kältetauglichkeit meines neuen Polarschlafsacks zu testen, ein bisschen vor den Kindern anzugeben („Mama jagt heute Nacht den Pferderipper“), und zog über Nacht zu K. auf die Wiese. Wir entzündeten ein Grillfeuer, die Freundinnen D. und S. gesellten sich dazu und es entstand eine angenehme Marlboro-Stimmung, in der wir lange über die laterale Gangverschiebung beim Islandpferd debattierten.

Der Pferderipper tauchte nicht auf, wahrscheinlich hatte er zu viel Respekt vor unsrer gemütlichen Runde. Bei P. habe ich mich immer geborgen gefühlt. Es liegt nicht daran, dass sie sich nicht für Männer interessiert. Aber vielleicht daran, dass ich sie nie fragen werde, warum das so ist.

Es gab noch andere Abende, so wie kürzlich bei meiner Freundin C., auch da war mir gar nicht bewusst, dass wir eine Frauenrunde sind. C. ist mit S. befreundet, die schon seit Jahren ein Dominastudio betreibt und damit ihren Lebensunterhalt verdient. S. hat eine warmherzige Art, in ihrem rheinischen Dialekt von Freundinnen zu erzählen, die sich mühsam aus irgendwelchen Problemlagen herausgeschuftet haben. „Sie haben sich nie aufgegeben“, ist einer von S. Lieblingssätzen. Die Grundzüge ihres Jobs hat mir S. mal erklärt. Sonst reden wir nie über Sex. Wie käme ich dazu.

Doch um diese Frauenrunden geht es nicht. Sondern um jenen Freitagabend in jenem überhitzten Restaurant, mit K. und ihren Freundinnen, die zu allem Klischeeübel auch noch meist gut verdienende, gebildete und verheiratete Frauen sind. Irgendwann mal kam F. auf das Eigentliche, und das ging so: „Also wollen wir doch mal ehrlich sein: Alle verheirateten Männer, besonders wenn sie älter werden, wollen wieder mit 20-jährigen Blondinen ins Bett.“ F. schlägt diesen verschwörerischen Ton unter Frauen an, der immer signalisieren soll: Jetzt sind wir unter uns und da sagen wir die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!

„Wirklich alle?“, frage ich unsicher, „meinst du echt?“ Alle, sagt F. triumphierend, „aber es kriegen eben nicht alle Männer mehr die jungen Blondinen. Nur deswegen machen viele Männer es nicht.“ „Heißt das für alle Frauen, die keine jungen Blondinen sind, sie haben nur noch die Loser-Männer, oder sie müssen allein bleiben?“, frage ich nach. Ich war schon immer stolz auf mein Abstraktionsvermögen.

R. mischt sich ein: „Ist alles ungleich verteilt“, sagt sie. „Männer zum Beispiel haben doch mehr Gelegenheit, fremdzugehen, als viele Frauen. Schau mich an: Abends habe ich die Kinder. Ich bin also zu Hause. Ich hätte doch nur vormittags Zeit. Und mal ehrlich: Willst du einen Liebhaber, der zwischen 10 und 13 Uhr Zeit hat?“

F. setzt hinterher: „Wer will schon einen Loser?“, fragt sie, „du willst doch auch einen Mann, dem andere Frauen nachschauen.“ Hm. Ich verspüre plötzlich den dringenden Wunsch, mich sofort mit einem Mann zu treffen. Irgendeinem. Ich höre mir auch alles an über Schalke 05, soll ja angeblich ein Männerthema sein. Bloß weg hier.

Als ich nach Hause komme, ist mir ein bisschen übel. Der Rotwein in diesen Edelrestaurants wird immer gnadenlos überschätzt.

Gestern erzählte mir eine 16-Jährige, was derzeit so an Schimpfworten über Männer kursiert: „Weicheier. Beckenrandschwimmer. Frauenversteher.“ Frauenversteher! Was bin ich dann eigentlich? Eine Loser-Geliebte? Oder vielleicht eine 20-jährige Blondine? Oder vielleicht wahnsinnig?

Nächste Woche ziehe ich mal wieder mit meinem Polarschlafsack abends zu P. auf die Wiese. Sie ist wieder öfters draußen. Der Pferderipper hat erneut zugeschlagen. Wir müssen aufpassen. Ich liebe diese Kälte und die Nacht.

Fragen zu Gerüchten? kolumne@taz.de

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