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Archiv-Artikel

ausgetrickst Studiengebühren fließen an den Hochschulen vorbei

Blechen für das Haushaltsloch

Die Studiengebühren, die Langzeit-Studierende in Niedersachsen seit dem Sommersemester zahlen müssen, kommen nicht den Hochschulen zugute. Die Einnahmen sollen nach einem Plan des Wissenschaftsministeriums in den Nachtragshaushalt 2003 fließen. Die Unis gehen leer aus.

Bei der Rückmeldung im Februar hatte fast ein Viertel aller Studenten die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschritten und wurde mit jeweils 500 Euro zur Kasse gebeten. Wie viele von ihnen die Hochschulen nun deshalb verlassen und wie hoch die Einnahmen dann tatsächlich sind, steht noch nicht fest.

An der Universität Hannover etwa erhielten 6.300 der 26.000 Studenten einen Gebührenbescheid. 1.560 Studierende zahlten, 1.583 machten eine Promotion, eine wirtschaftliche Notlage oder eine Beurlaubung geltend und bleiben daher gebührenfrei eingeschrieben. Mehr als die Hälfte der Betroffenen verließ die Universität. „Wir hatten gerechnet, dass sich die Hälfte der angeschriebenen Studenten zurückmeldet“, sagt Uni-Sprecherin Stefanie Beier.

Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz sollen die Hochschulen jährlich fünf Millionen Euro aus den Gebühreneinnahmen für Projekte erhalten, die zur Verkürzung der Studienzeit beitragen. Wegen der allgemein schlechten Finanzlage des Landes muss aber das Wissenschaftsministerium für den Nachtragshaushalt 29,3 Millionen Euro einsparen. Fast das gesamte Volumen sollen die Hochschulen tragen. „Die Sparauflage entspricht 1,3 Prozent des Gesamtetats jeder Hochschule“, sagt Ministeriums-Sprecher Thomas Reiter. Es sei „eine Frage der Vernunft“, dass die Hochschulen auf die Gebühreneinnahmen verzichteten.

Die Universität Osnabrück beispielsweise soll 1,2 Millionen Euro aus ihrem 73 Millionen Euro großen Etat einsparen. „Bei uns ist der Speck schon längst weg. Um das zu finanzieren, werden wir Mitarbeiter- und Lehrstellen nicht besetzen. Das kann sich Studien-verlängernd auswirken“, sagt Peter Hertel, Vize-Präsident der Universität. Von der Langzeitstudiengebühr sollte die Universität ursprünglich 800.000 Euro erhalten. Hertel weiß: Wenn die Universität nicht auf dieses Geld verzichtet, muss sie es an anderer Stelle einsparen.

Horst Kern, Präsident der Universität Göttingen, ist „prinzipiell für Studiengebühren, sofern sie zweckbestimmt eingesetzt werden, um das Angebot zu verbessern“. Die Zweckentfremdung der Gebühr wertet er indes als „außerordentlich unbefriedigend“: „So ist das nur eine zusätzliche, fragwürdige Steuer. Damit wird den Studenten ein falsches Signal gesendet. Dieser Schritt belastet jede weitere Diskussion über Studiengebühren“.

Amélie Fidric, dpa