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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Verrutschte Modelbrüste, verlässliche HipHop-Heten, Schwarz und Vice: Die B&B-Spiele-Abende

Meiner jüngeren Vergangenheit als Mode- und Lifestylereporterin habe ich es zu verdanken, dass ich an diesem Wochenende einen Stapel aufwändig gestalteter Bread-and-Butter-Abendeinladungen abarbeiten darf. Also los am Freitag zur „Beck’s Fashion Experience“ ins E-Werk, einer der Wallfahrtshallen des vergangenen Techno-Berlin. Inmitten der durchsanierten neuen Mitte ist in diesem ehemaligen Tempel einer tanzenden Résistance anscheinend nur noch die Austragung von ästhetisch anspruchsvollen Messen und Kongressen möglich.

Hübsch ist es, was junge Designertalente bei dieser von Bill Murrays Synchronstimme anmoderierten Modenschau zeigen. Besonders schön anzusehen ist eine vorsätzlich aus einem elastischen Strickanzug gerutschte Modelbrust, die von den Fachfrauen mit einem anerkennenden Raunen kommentiert wird. Die gewollt unordentlichen Hairstylings dagegen werden weniger freundlich aufgenommen. „Ein Horror, diese Haare!“, entrüstet sich eine. Da sind ihr wohl die Frisuren der Gäste aus der ersten Reihe entgangen. Dort werden nämlich die wahren Haarausfälle zur Schau getragen: Neben Kamm- und Haubensträhne sitzt Feuerwehrrot und unterhält sich mit der trockenen Platinblondierung.

Bei der anschließenden Party eines Herstellers von HipHop-Bekleidung bietet sich dann zwar ein weniger glamouröses und sehr heterosexuelles Bild. Vor allem die Männer sehen in ihrer wenig ausdifferenzierten, weiten Baumwollwear mit Turnschuhen aber erstaunlich gut aus. Wie verlässliche Partner, die einen ungefragt mit Liebe und neuen Getränken versorgen. Aufs Klo geht man aber auch hier zu dritt.

Der Samstagabend steht dann ganz im Zeichen der Farben Schwarz und Vice. Schwarz ist vermutlich die Gesinnung der meisten Anwesenden einer Privatparty im Choriner Eck, zu der mich meine etwas ältere Vergangenheit führt. „Rechtsverdreherin“ bin ich da gewesen, wie meine Tante R. bei jedem unserer Wiedersehen mindestens einmal zu sagen pflegt. Rechtsverdreher, Ärzte, Unternehmens- und PR-Berater sind auch die meisten anderen aus dieser fröhlichen Adelsclique, die ihren Wohlstand hier feiert. Am Büfett gibt es Guacamole, im Mittelpunkt aber steht eigentlich alles, was schnell besoffen und den Discofox beschwingter macht. Der Miet-DJ treibt die Stimmung mit geschickt eingesetzten Fetenhits zum Siedepunkt, auf dem einer der Anwesenden einen Barhocker erklimmt und „Ich bin der beste Anwalt der Welt!“ in die Menge schreit.

Lange habe ich nicht mehr so gedankenlos zu Heroes del Silencio Paartanz betrieben wie zwischen diesen Tweedsakkoträgern. Bestens „vorgeglüht“, wie viele Partygänger heute zu sagen pflegen, remple ich mich gegen drei dann ins Rio, wo das für seine zuverlässig skandalösen Partys angesehene Vice-Magazin seine Bread-and-Butter-Veranstaltung durchführt. Pete Doherty hat sein Jahr gehabt und ist deshalb erneut nicht da, dafür gibt es wieder Gedrängel bis kurz vor der Panik, kotzende Menschen, Umsonstbier und tolle DJs aus der berühmten englischen Band Bloc Party. Die haben sich gleich noch eine Band mitgebracht, die so klingt, als würden Bloc Party, Art Brut und Maximo Park gemeinsam ein Medley ihrer größten Hits spielen, aber überall die Hookline weglassen. Das stört die Gäste nicht, sie hören nur Gitarren und Riffs und gehen ab wie Nachbars Lumpi. Die Bandmitglieder nehmen das mit sehr lustigen Gesichtsausdrücken entgegen: Unglaube, Erstaunen und kichernde Freude.

Und wem der krude Szenemix in dieser Geschichte hier Kopfschmerzen bereitet, dem sei gesagt: Es ist alles ganz einfach, sie wollen alle nur spielen.

LORRAINE HAIST