aufreger: Warum in Manila die Vizepräsidentin den Präsidenten ermorden will
In den Philippinen wird der Machtkampf zwischen den mächtigen Familienclans Marcos und Duterte immer bizarrer. In der Nacht zu Samstag erklärte Vizepräsidentin Sara Duterte in einer improvisierten Pressekonferenz aus dem Haftraum ihrer Stabschefin, dass sie die Ermordung von Präsident Ferdinand Marcos Junior, seiner Frau und seines Cousins Martin Romualdez in Auftrag gegeben habe. Romualdez ist Sprecher des Unterhauses und Dutertes Konkurrent um die Nachfolge von Marcos, dessen Amtszeit 2028 endet.
In ihrer Rede voller Kraftausdrücke sagte Duterte zweimal zu ihrem Mordauftrag: „Das ist kein Witz.“ Doch gelte der nur nach ihrer eigenen Ermordung. Beweise für ein Mordkomplott gegen sie selbst nannte sie nicht. Im Oktober hatte sie bereits gesagt, sie wünsche manchmal, Marcos den Kopf abzuschneiden und die Leiche seines Vaters – Diktator Ferdinand Marcos Senior – auszugraben und ins Meer zu werfen.
Anlass für Dutertes neue Drohung war die vom Kongress verordnete Beugehaft gegen ihre Stabschefin Zuleika Lopez. Das Unterhaus hatte die Duterte-Vertraute vorgeladen, um zu Vorwürfen des Veruntreuung öffentlicher Mittel durch Duterte auszusagen, was zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnte. Lopez gab sich aber als völlig ahnungslos, worauf die Abgeordneten Beugehaft anordneten. Lopez brach zusammen und wurde in ein Krankenhaus verlegt.
Im Unterschied zu Dutertes Enthauptungsäußerungen vom Oktober werden die Drohungen der Vizepräsidentin diesmal sehr ernst genommen. „Es geht um die nationale Sicherheit“, erklärte der nationale Sicherheitsberater Eduardo Año. Marcos’ Personenschutz wurde verstärkt. Der Vizesprecher des Parlaments nannte die Drohungen „ein abscheuliches Verbrechen“ und einen Verfassungsbruch. Manche sehen Dutertes Äußerungen als Ablenkung vom Vorwurf der Zweckentfremdung oder erst recht als Grund für eine Amtsenthebung, andere raten ihr, zum Psychiater zu gehen.
In den Philippinen werden das Staatsoberhaupt und sein Vize getrennt gewählt und können konkurrierenden Parteien angehören. Zur Wahl 2022 hatten sich die Clans von Marcos und Duterte verbündet und gemeinsam gewonnen. Marcos wurde Präsident, Duterte wurde Vizepräsidentin und saß auch im Kabinett. Sie schied aus dem Kabinett aus, nachdem ihr Vater, der bis 2022 Präsident war und bis 30.000 angebliche Drogendealer ermorden ließ, Tiraden gegen Marcos losgelassen hatte. Der ist nämlich offen für eine Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof, der gegen Rodrigo Duterte ermittelt. Sven Hansen
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