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auf augenhöheBerliner CDU-Spitzenkandidat in TV-Politshow

Die Hinrichtung des Spree-Kennedys

Berliner TV-Luft ist nett, kuschelig und nur an und ab ein wenig kritisch. Wer im SFB als Politiker Rede und Antwort stehen muss, braucht keine Sorge um sein Image zu haben. Es sieht hinterher genauso aus wie vorher, wenn nicht noch besser. Frank Steffel, CDU-Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst, hat seinem Bild vom forschen jungen Hecht in den Medien noch eins draufsetzen können: das vom amerikanischen Polit-Profi „John F. Steffel“, der busy wirkt, mit weißen Zähnen lächelt und immer was zu blabbern hat. Die Erfolgsnummer, meinen er und seine Berater vom „Powerpoint Steffel“.

Seit seinem Max-Interview hat Steffel ein Problem, denn die Medien spielen nicht mehr mit. Und bläst die TV-Luft mal wirklich amerikanisch, wie in der ARD-Politshow Friedman am Mittwoch abend, bleibt vom selbst ernannten „Berliner Kännedi“ nicht einmal ein Schatten des Originals. Friedman hat Steffel mit den in Max berichteten Pöbeleien seiner Jugend gegen Türken, Schwarze und Behinderte konfrontiert: „Was ist ein Rassist?“, „Haben Sie Türken als Kanaken bezeichnet?“, „Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Türkenwitz?“ Der Kandidat hat die erste Frage mit einem „Äh, schwierig“, beantwortet und hilflose Erläuterungen folgen lassen – bei allen anderen wie im Trommelfeuer niederprasselnden Fragen ebenso. Ein Desaster für Steffel.

Dass Frank Steffel wissen konnte, dass er nicht zum Kaffeeplausch zu Michel Friedman fährt, wäre zu erwarten gewesen, wird doch beinahe jeder dort „zerrissen“. Dass unbequeme Fragen und eine entkleidende Kameraführung auf die innere Kontur eines jeden zielen, gehört zum Prinzip der Sendung. Und dass ein hämisch guckender Friedman jede Schwäche ausnutzt und in der Wunde bohrt, ist das Salz in der Suppe. Eben amerikanisch, also Steffel-like, oder?

Steffel hat sich dem gegenüber wie ein jugendliches Greenhorn verhalten, das, nach seinen Sünden befragt, sich mit durchsichtigen Ausreden herumquält. Und wenn es ein Fehler war, dass er sich weder klar noch deutlich von seinen Jugendsünden zu distanzieren in der Lage gesehen hat, dann war es eine Katastrophe für ihn, bei Friedman nicht den Eindruck zu hinterlassen, wenigstens jetzt Farbe zu bekennen. Vor Friedman saß darum nicht ein CDU-Spitzenkandidat oder gar ein Kennedy, sondern ein Schüler, Angeklagter, Täter.

Man muss kein Freund Steffels sein, um den Triumpf des Siegers Friedman über den kleinen Herumdruckser zu missbilligen. Es war kein Duell, sondern eine Hinrichtung. Es war kein Gericht, sondern die Inquisition, die über Steffel urteilte. Wo die Wahl der Waffen derart ungleich wird, macht auch der Erfolg keine Freude mehr.

Dass Steffel von Anfang an keine Chance hatte, mag denen Recht geben, die den poltrigen Superman aus Berlin-Reinickendorf sowieso nur für einen schlechten Witz halten. Als er am Boden lag, hätte es genügt, ihn auszuzählen. Der Moderator aber hat ihn bis zum Ende tracktiert: eine zweifelhafte Methode angesichts der moralischen Anschuldigungen.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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