assad in berlin: Der gescheiterte Präsident
Wenn es nur nach den deutschen Interessen ginge, mit der der Bundeskanzler seinen Umgang mit Syriens Staatschef Baschar al-Assad rechtfertigte, dann hätte Gerhard Schröder sich während des Staatsbesuches in Berlin manche Freundlichkeit sparen können: Syrien ist für Deutschland weder politisch noch wirtschaftlich von besonderem Interesse. Dennoch hat es von deutscher Seite nicht an diplomatischer Etikette gemangelt – während sich Assad, der für eine der Konfliktparteien im Nahen Osten steht, im Vorfeld des Besuchs für eher kräftige Töne entschied.
Kommentar von PETER PHILIPP
Der junge Präsident hat sich aber nicht verplaudert, wie manche Kommentatoren wohlwollend meinten – er hat zur nahöstlichen Propagandasprache gegriffen. Das ist neu, denn sein Vater Hafis al-Assad hatte diese Rhethorik in einer Art liberaler Spätphase seiner Regierung abgeschafft. Der Sohn ist dahin zurückkehrt. Nicht aus eigener Überzeugung, sondern weil er sich nicht gegen die alten Damaszener Betonköpfe behaupten kann, die unter seinem Vater an die Macht gekommen waren und dessen geschmeidigere Politik gegenüber Israel und den Vereinigten Staaten überlebt haben. Vor allem die einflussreiche Generalität denkt nicht daran, ihre Politik oder auch nur ihre Sprache zu ändern.
Assad der Jüngere, das ist auch an seinen Äußerungen zu erkennen, ist gescheitert. Zu der von ihm in Aussicht gestellten Meinungs- und Pressefreiheit ist es nicht gekommen; die Debattierclubs, die nach seinem Amtsantritt überall aufmachten, gibt es nicht mehr. Die Wirtschaftslage ist desolat, doch Reformen bleiben aus.
Und auch der destabilisierende syrische Einfluss in der Region nimmt nicht ab: Trotz ihres spektakulären Rückzuges aus Beirut stehen syrische Truppen weiterhin im Libanon, und die syrische Unterstützung für die Hisbullah und andere fanatisch antiisraelische Gruppen ist ungeschmälert. Syrien beharrt so stur auf einem völligen israelischen Rückzug aus dem Golan, dass man fast schon meinen könnte, es gehe ihm gar nicht um eine Friedensregelung, sondern um die Aufrechterhaltung des Status quo.
Da aber wird der Bundeskanzler vorsichtig. Deutsche Vermittlung ist ohnehin nicht angesagt. Aber auch ein an sich wünschenswertes entspanntes Verhältnis zu allen Konfliktparteien in der Region entsteht nicht um jeden Preis.
Nahostexperte bei der Deutschen Welleinland SEITE 7
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