arbeitslosenzahlen: Natürlich alle schuldlos
Keiner will es gewesen sein. Die Arbeitslosenzahlen in Berlin und Brandenburg entziehen sich der Verantwortung der Politik. Zumindest will sie keiner übernehmen. Stattdessen wissen alle: Die anderen sind Schuld. Wer genau, das ist nicht so wichtig.
Kommentar von DIRK HEMPEL
Was sollte man auch anderes erwarten: Trotz Sommerloch ist der Wahlkampf eröffnet, es bleiben gerade noch zwei Monate bis zu den Abgeordnetenhauswahlen. Da geht es längst nicht mehr um die versprochenen Sachthemen, sondern nur noch um die Diffamierung der Gegner: als Kommunisten, als Wirtschaftsfeinde, als Arbeitsplatzvernichter.
Der Unternehmer und CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel beherrscht dieses Geschäft hervorragend. In seiner Firma ist er der nette Chef, der auch ohne Betriebsrat für ein prima Klima sorgt, im Wahlkampf versucht er den Übergangssenat für die Arbeitsmarktpolitik der großen Koalition verantwortlich zu machen. So wird Politik in der Hauptstadt gemacht: Nicht auf existierende Konzepte kommt es an, sondern darauf, so zu tun, als hätte man sie.
Kaum zeichnet sich ab, dass die Arbeitslosenzahlen steigen und steigen, melden sich alle zu Wort. Alle wissen, wie man es richtig macht. Das eigentliche Thema bleibt dabei auf der Strecke. Wozu noch Arbeitsbeschaffungs- oder Strukturanpassungsmaßnahmen, wenn es auf dem Arbeitsmarkt schlicht keine Stellen gibt? Wieso Arbeitslose triezen, aussichtslose Bewerbungen zu schreiben, weil ihnen sonst die Gelder gestrichen werden? Fragen, die keiner stellt, weil sie nicht in das Schuldzuweisungsszenario des Wahlkampfes passen.
Stattdessen verhält es sich so: Aus Brandenburg ziehen die besser qualifizierten Arbeitslosen an den Berliner Stadtrand, aus Berlin in andere Bundesländer. Die schlechter Qualifizierten werden erstens sich selbst und zweitens völlig überforderten Sachbearbeitern überlassen.
Und davon hat keiner was. Noch nicht einmal die Politiker. Denn mit den gut qualifizierten Arbeitslosen ziehen auch potenzielle Wähler weg.
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