apokalypse der woche: 1,5 Grad mehr sind zu viel für das Eis
Die globale Durchschnittstemperatur war im Jahr 2024 erstmals 1,5 Grad wärmer als vor Erfindung der Dampfmaschine. Copernicus, das EU-Programm zur Überwachung der Atmosphäre, ermittelte den Wert von 1,6 Grad. Eigentlich hatten sich die Staaten 2015 mit dem Paris-Protokoll verpflichtet, die Klimaerhitzung „auf deutlich unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau“ zu begrenzen. Zudem sollen „Anstrengungen unternommen werden“, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Allerdings kletterten seitdem die Treibhausgas-Produktion der Menschheit Jahr für Jahr auf immer neue Höchststände – mit Ausnahme des Coronajahres 2020.
Die Auswirkungen beschreibt eine Studie, die gerade im Fachblatt Nature publiziert wurde: Demnach sind bereits 1,5 Grad zu viel, um die großen Eisschilde rund um den Nord- und Südpol zu retten. Die Forscher einer britisch-amerikanischen Forschungsgruppe fassen „mehrere Beweislinien zusammen“, nach denen ein dauerhafter Temperaturanstieg von 1,5 Grad zum Kollaps der Gletscher etwa auf Grönland und in der Antarktis führen muss. Wanderer in den Bergen kennen das Phänomen: Weil es oben kühler als unten im Tal ist, packen sie sich einen Pullover ein. Bei den Gletschern verhält es sich ähnlich: Der grönländische Eispanzer ist in seiner Spitze mehr als 3.000 Meter hoch. Fängt diese Spitze an zu tauen, fällt sie nach unten in immer wärmere Schichten – ein Prozess, der nicht mehr angehalten werden kann. „Der Massenverlust der Eisschilde in Grönland und der Antarktis hat sich seit den 1990er Jahren vervierfacht“, schreiben die Forscher:innen. Die weiter steigende Temperatur könne „einen schnelleren Rückgang oder sogar einen Zusammenbruch“ der Eisschilde zur Folge haben.
Der grönländische Eisschild ist viermal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, sein Schmelzen würde den Meeresspiegel um sieben Meter anheben. Emden liegt einen Meter hoch. In der Antarktis heißt ein Gletscher „Doomsday“ – Weltuntergang. Seine gigantische Eismasse wirkt in der Westantarktis wie ein Korken, der den Inhalt einer Flasche zurückhält – gigantische Wassermassen, die noch gefroren sind. Untersuchungen zeigen, dass der Korken bereits schmilzt.
Der Meersspiegelanstieg ist nicht das einzige Problem: Gletscher bestehen aus gefrorenem Süßwasse. Tauen sie, verringert sich die Salzwasserkonzentration etwa im arktischen Ozean. Die ist aber Antrieb für den Golfstrom, der wie ein riesiges Förderband Europa mit Wärme versorgt. Studien hatten einen Kollaps bis zum Jahr 2095 verhergesagt. Landwirtschaft in Norddeutschland wird dann unmöglich, es wäre zu kalt dafür. Nick Reimer
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