angela merkel in not: Auch Engel können brutalst abstürzen
Endlich hat die CDU/CSU zu alter Form zurückgefunden: Vorgestern noch wollten Fraktionschef Merz und der CSU-Vorsitzende Stoiber den Rentengipfel platzen lassen – jetzt nehmen sie doch teil. Angela Merkel wiederum dachte nie an eine Absage, sondern nur an Nachbesserungen: höhere Zuschüsse für Familien bei der privaten Altersvorsorge. Mit solch öffentlichem Dissens knüpft die CDU unmittelbar an ihre Orientierungslosigkeit an, die sie vor der „brutalstmöglichen“ Aufklärung ihrer Spendenaffäre monatelang vorgeführt hatte.
KOMMENTARvon DANIEL HAUFLER
Überhaupt, Angela Merkel. Engelsgleich und doch volksnah hatte sie auf dem letzten CDU-Parteitag abgehoben – und jetzt schon muss sie fürchten, brutalstmöglich abzustürzen. Ihre Popularität sinkt mit jedem Tag, an dem sie nichts bewegen kann in ihrer Partei und der Politik, aber auch jedes Mal, wenn Sie sich äußert. Denn sie hat bislang vor allem ein Programm: Verweigerung. Sie lehnte die Green Card ab (und stellte sich, seinerzeit noch als Generalsekretärin, hinter Hessens Anti-Doppelpass-Kampagne), sie wollte die Ökosteuer verhindern, sie wies Joschka Fischers Überlegungen eines föderativen Europas zurück – und verweigerte sich brüsk dem Angebot von Schröders Anzugschneider Umberto Angeloni, ihr endlich mal ein ordentliches Kostüm zu verpassen.
In irgendeinem alten Politiklehrbuch (wahrscheinlich aus den Siebzigern) muss Merkel gelesen haben, dass so Opposition funktioniert. Erst allmählich scheint sie zu bemerken: Heute lässt sich so weder eine Partei erfolgreich führen noch eine Wahl gewinnen. Die Unionspolitiker erwarten allmählich eine programmatische Perspektive – und die BürgerInnen eine klar definierte CDU, die sich von der SPD unterscheidet.
Genau hier liegt Merkels Problem: Profiliert sie nämlich die Partei als Vertreterin der RentnerInnen und sozial Schwachen – wie jetzt vor dem Rentengipfel –, wirkt das nur wie eine schlechte Kopie der SPD. Zumal sich nicht wenige daran erinnern, dass gerade die CDU noch vor der Wahlschlappe 1998 ohne Gewissensbisse ein sozial ungerechtes Rentenkonzept durchgepeitscht hat.
Das Dilemma der Union ist fatal: entweder falsche SPD oder Verweigerungspartei. Dieses Dilemma muss die derzeitige CDU-Führung um Merkel lösen – oder die Partei wird sich bald von ihr lösen. Die Rentenfrage ist mittlerweile nicht nur eine Schicksalsfrage der Nation, sondern auch eine der Union.
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