piwik no script img

american piePerfektion oder Betrug?

In der Major League werfen die Baseballprofis immer mehr Homeruns. Die Minnesota Twins und Max Kepler sind die Posterboys dieses Trends

Die kleinsten T-Shirts, die für Kinder, sind schon ab 10,95 US-Dollar zu bekommen. Auf sattem rotem Hintergrund steht „Minnesota“ über einem, zugegeben eher ungestalten Baseball mit Beinen, Armen und einem grimmigen Grinsen. Darunter: „Bomba Squad“.

Die T-Shirts gehören nicht zum offiziellen Merchandisingprogramm der Minnesota Twins, sind aber trotzdem ein Verkaufsschlager in Minneapolis und St. Paul, den sogenannten Twin Cities. Den neuen Spitznamen der Twins hat Eddie Rosario erfunden. Der puertoricanische Profi ist einer aus dem „Bombenentschärfungskommando“, das Homeruns, im Volksmund auch „bombs“ genannt, in einer noch nie vorher gesehenen Frequenz in die Zuschauerränge schlägt.

Allein am Wochenende haben die Twins in drei Spielen sechs solcher Bomben gezündet, zwei mal Max Kepler. Der Berliner hat schon 28 Home­runs auf seinem Konto, dabei sind erst zwei Drittel der Saison absolviert. Noch im vergangenen Jahr hatte der deutsche Nationalspieler nur 20 Homeruns geschlagen. Seine Erklärung für die Offensiv-Explosion ist simpel: „Wir sind nicht ausdrücklich auf Home­runs aus“, sagte Kepler der New York Times. Man müsse nur soliden Kontakt zwischen Ball und Schläger herstellen, so der 26-Jährige, dann „fliegen die Bälle auch“.

Mit diesem Ansatz haben die Twins schon 205 Home­runs geschlagen. Wenn das so weiter geht, werden es am Saisonende mehr als 300 sein. Das wäre neuer Rekord. Deutlich. Der aktuelle stammt aus der vergangenen Saison von den New York Yankees (267).

Der Trend zum Homerun, der einerseits unkompliziertesten, aber eben auch nicht ganz einfachen Methode im Baseball zu punkten, ist nicht nur in Minnesota zu bestaunen. In den Major Leagues (MLB) werden so viele Home­runs gezählt wie nie zuvor – selbst mehr als in den bekanntermaßen dopingverseuchten Neunzigerjahren, als von Steroiden aufgeblasene Profis wie Barry Bonds, Sammy Sosa oder Mark McGwire die Rekordbücher umschrieben.

Die Erklärungen für die jüngste Entwicklung sind vielfältig: Auch Doping gehört dazu. Im Gegensatz zu den Neunzigerjahren werden die Baseballprofis zwar getestet, wenn auch eher sporadisch. Dass aber auch noch gedopt wird, ist jedem klar: Nelson Cruz (26 Homeruns bislang) und Jorge Polanco (16), beide Kollegen von Kepler bei den Twins, wurden in früheren Jahren positiv getestet und waren einige Monate gesperrt.

Allzu offen wird das allerdings nicht diskutiert, auch weil die Profis von heute lange nicht mehr so offensichtliche Muskelberge anhäufen. Stattdessen sucht man nach anderen Erklärungen. Einige davon klingen auch durchaus logisch: Tatsächlich versuchen die Spieler konsequenter als früher Homeruns zu schlagen – und nehmen dafür in Kauf, öfter am Ball vorbei zu schlagen. Schon im Training wird mit immer perfekteren Videoanalysen geübt, welcher Schlagwinkel am effektivsten zu langen Flugkurven führt. Andere Erklärungsversuche erinnern dagegen an Verschwörungstheorien: Manche Spieler spekulieren, der Ball sei absichtlich verändert worden, um weiter zu fliegen. Das wird sowohl von den Liga-Verantwortlichen als auch dem Hersteller dementiert.

Wie auch immer: Es gibt mehr Homeruns, und die Minnesota Twins und Max Kepler sind die Posterboys dieser Entwicklung. Ein Platz in den Play-offs garantiert das nicht. Zuletzt schwächelte das Team in der Defensive und droht den ersten Platz in seiner Division und damit die Qualifikation für die K.o.-Runde zu verspielen. Deshalb ist man auf der Suche nach Verstärkungen. Aber am heutigen Mittwoch schließt das Transferfenster. Die Mannschaften ohne Titelambitionen bieten nun lang gediente, hoch bezahlte Profis an im Tausch gegen junge Talente. Da sollte sich noch eine Ergänzung für die „Bomba Squad“ finden lassen.

Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen