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american pieRaptors’ Rap

Musiker Drake versucht mit allen erdenklichen Mitteln, Toronto im Finale der NBA zum Sieg gegen die Golden State Warriors zu verhelfen

Gewinnt der haushohe Favorit, der zuletzt so verwundbar schien? Oder doch der Außenseiter aus dem hohen Norden? Die Golden State Warriors? Oder die Toronto Raptors? Wird Kawhi Leonard weiter so überragend für Toronto spielen? Oder Kevin Durant in letzter Sekunde gesund, um die Warriors zu retten? Es gibt viele spannende Fragen vorm dritten Spiel der NBA-Finalserie, aber nur eine, die wirklich alle interessiert: Wann wird Drake wieder provozieren? Drake ist nicht nur, folgt man den Strea­ming-Zahlen von Spotify, der erfolgreichste Rap-Musiker der Welt. Der 32-Jährige ist nicht nur in Toronto geboren und ein glühender Anhänger der Raptors. Er ist auch, da ist man sich außerhalb von Toronto einig, eine schlimme Nervensäge. So schlimm, dass sich kürzlich sogar Barack Obama bemüßigt fühlte einzuschreiten. Obama fragte jüngst in Anwesenheit von Drake NBA-Boss Adam Silver mit onkelhaft strenger Stimme: „Benimmt er sich denn auch anständig?“

Eine berechtigte Frage, hatte Drake doch in den vergangenen Wochen am Rande der NBA-Play-offs mehr Schlagzeilen produziert als jeder beteiligte Basketballspieler. Der kanadische Edelfan sitzt nur selten auf seinem teuren Platz am Rande des Spielfeldes, sondern rastet lieber aus, überzieht gegnerische Spieler mit Beleidigungen, schreit die Schiedsrichter an oder kuschelt mit dem Maskottchen. Mitunter massiert Drake sogar Torontos Trainer Nick Nurse die Schultern. Und natürlich twittert er ausgiebig. Zwischenzeitlich musste NBA-Chef Silver den Musiker ermahnen, sein Verhalten zu zügeln.

Seitdem fällt Drake nicht mehr ganz so unangenehm auf, aber immer noch wird jedes T-Shirt, das Drake zu einem Spiel ausführt, auf Anspielungen gecheckt und ausführlich diskutiert: War es nun witzig oder geschmacklos, dass Drake zum ersten Finalspiel ein Raptors-Trikot trug von Dell Curry, Vater des aktuellen Warriors-Stars Stephen Curry und einst selbst NBA-Profi, eine Zeitlang auch in Toronto. Dermaßen obsessiv ist die Beschäftigung der Medien mit dem Rapper, dass manche Zeitungen schon einen Drake-Fluch nachzuweisen versuchten – und detailfreudig auflisteten, welche UFC-Kämpfer oder Boxer einen Kampf verloren haben oder welcher Fußballprofi einen Elfmeter versemmelte, nachdem er mit Drake für ein gemeinsames Foto posierte.

Darüber droht mitunter vergessen zu werden, worum es bei diesen Finalspielen doch eigentlich geht: um Basketball. Und zudem richtig guten Basketball. Die erste Partie gewann Toronto, die zweite Golden State, beide Spiele waren hart umkämpft. Das liegt vor allem am überragenden Kaw­hi Leonard und daran, dass Toronto eine starke Verteidigung spielt gegen die längst legendäre Offensivmaschinerie der Warriors, die ihren vierten NBA-Titel innerhalb von fünf Jahren gewinnen wollen.

Dabei präsentiert der Titelverteidiger Qualitäten, die man lange nicht gesehen hat. Weil Kevin Durant seit Wochen ausfällt und seine rechtzeitige Genesung ungewiss ist, sind die Warriors gezwungen, wieder so zu spielen wie vor 2016, als der Superstar in Oakland unterschrieb. Statt den Ball einfach Durant in die Hand zu geben, der schon irgendwie punkten wird, demonstrieren die Warriors wieder jenes wunderschön anzusehende, von den Distanzschützen Curry und Klay Thompson orchestrierte System, für das sie die Basketballwelt in ihr Herz geschlossen hat, als sie 2015 den ersten Titel gewannen. Die fünf Akteure sind alle ständig im Bewegung, laufen sich frei, stellen Blocks, dribbeln und passen so lange, bis jemand frei ist. Dieses Ballett mag zwar lange nicht so schlagzeilenträchtig sein wie die neuesten Mätzchen von Drake, aber selbst der weiß es zu schätzen: Ausgerechnet Torontos Superfan trägt die Trikotnummer von Steph Curry als Tätowierung auf seinem Unterarm. Thomas Winkler

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