american pie: Ritter der Kokosnuss
Gabe Kapler, der neue Chefcoach des Baseballteams der Philadelphias Phillies,ist in arge Rechtfertigungsnöte geraten
Gabe Kapler sah aus, als wäre er gerade von der Sonnenbank gefallen. Die tiefe Bräune kontrastierte heftig mit dem leuchtend weißen Trikot, das er sich übergestreift hatte. Allerdings bot die lederartige Gesichtshaut den großen Vorteil, dass peinlich berührtes Erröten oder erschrockene Blässe nicht zu erkennen gewesen wären. Denn Anlass dazu hätte der neue Manager der Philadelphia Phillies zweifellos gehabt: Wer wird sonst schon bei seiner offiziellen Vorstellung im neuen Job von einem Reporter nach seinen Masturbationspraktiken ausgefragt?
Die Phillies wurden 1883 gegründet. Seitdem spielen sie unter diesem Namen Baseball in Philadelphia. Das macht sie zu dem amerikanischen Sportklub, der am längsten unter demselben Namen in der derselben Stadt existiert. In diesen 134 Jahren haben die Phillies viele Höhen, darunter den zweimaligen Gewinn der World Series, und noch viel mehr Tiefen erlebt, aber noch keinen Manager wie Gabe Kapler. Die Berufung des 42-Jährigen, das denken zumindest viele Fans, markiert einen neuen Tiefpunkt in der langen Geschichte des Klubs.
Tatsächlich darf man sich fragen, ob es nicht bessere Kandidaten für den Posten des Managers gegeben hätte. Der Manager eines Baseball-Teams ist der Chefcoach, aber als Trainer hat Kapler – abgesehen von wenigen Wochen als Assistenztrainer der drittklassigen israelischen Nationalmannschaft – bislang keinerlei Erfahrung gesammelt. Auch als Profi war er keine große Leuchte, spielte in zwölf Jahren für acht verschiedene Klubs – darunter war ein Ausflug nach Japan – und blieb nirgendwo länger als zwei Jahre, aber sicherte sich aufgrund seiner außergewöhnlich kräftigen Muskeln und seiner jüdischen Religion immerhin den schicken Spitznamen „Hebrew Hammer“.
Nach seiner Spielerkarriere versuchte sich der Mann, der stolz die Physiognomie von Barbies Ken herumträgt, in verschiedenen Jobs. Eine Zeitlang war Kapler TV-Experte, später war er im Management der Los Angeles Dodgers für die Talententwicklung zuständig. Was ihn jetzt aber einholt, ist eine andere Betätigung: 2013 startete er den leicht esoterischen Gesundheits-Blog „Kaplifestyle“, in dem er bis Anfang dieses Jahres Ernährungs- und Fitnesstipps gab, von denen ihm einige nun auf die Füße fallen.
So empfahl Kapler, die Knochen von Brathähnchen mitzuessen, weil sie angeblich einen Red-Bull-artigen Energieschub verschafften. Oder er behauptete, man solle während des Trainings ruhig mal einen Tequila oder Whiskey trinken, weil Schnaps wenigstens nicht fett mache. Und er riet Männern, ihre Hoden vom Sonnenlicht bräunen zu lassen und so die Vitamin-D- und Testosteron-Ausschüttung anzukurbeln: „Wenn ihr stark werden wollt, dann schenkt euren Jungs ein wenig Sonne. Und mit Jungs meine ich eure Eier.“ Mitunter wurde Kapler auch philosophisch und elaborierte über sein ausbleibendes Schuldgefühl, nachdem er ein Eichhörnchen überfahren hatte. Richtig nervös werden sie im prüden Amerika aber angesichts von Kokusnuss-Öl. Das pries Kapler ausführlich für die verschiedensten Anwendungen, nicht zuletzt als „weltbestes Gleitgel“ für einsame Stunden.
Nun ist die Aufregung groß. Während bei der Pressekonferenz, bei der die Phillies Kapler vorstellten, die sportlichen Aussichten des Klubs, der die vergangene Saison abgeschlagen auf dem letzten Platz seiner Division beendet hatte, eher am Rande gestreift wurden, war Kokusnuss-Öl das beherrschende Thema. Ein Vorgeschmack für den gut gebräunten Kalifornier, dass er keinen leichten Stand haben wird mit seiner unkonventionellen Herangehensweise in der als konservativ geltenden Arbeiterstadt Philadelphia. In den Medien, nicht nur den sozialen, steht das Verdikt schon lange vorm ersten Trainingstag, den der neue Manager leiten wird, fest: „Kapler ist kein Typ für Philly!“
Stattdessen gibt es sogar Menschen, die sich mit einem Tuch das Gesicht verdecken und auf YouTube behaupten, Chefcoach Gabe Kapler sei ein Roboter, der aus der Zukunft in Philadelphia gelandet ist. Ob die Zeitmaschine mit Kokusnuss-Öl betrieben wurde, lässt der vermummte Verschwörungstheoretiker offen.
Thomas Winkler
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