american pie: Der Lack ist niemals ab
Warum die National Football League (NFL) trotz solcher Skandalprofis wie Michael Vick floriert. Auch Mord, Doping und Drogenmissbrauch schrecken die Fans nicht ab.
Der neue Häftling ist nicht nur prominent. Er ist nicht einmal ein Krimineller - zumindest noch nicht offiziell. Schon am Montag bezog Michael Vick seinen neuen Wohnsitz in einer Zelle des Northern Neck Regional Jail, ein Knast im kleinen Städtchen Warsaw - und das auch noch freiwillig. Doch zu der Haftstrafe, die der Footballprofi in Virginia antrat, wurde er noch gar nicht verurteilt.
Das Urteil über den ehemals gefeierten Star der Atlanta Hawks soll am 10. Dezember gesprochen werden. Doch Vick hat sich bereits vor Monaten schuldig bekannt und mehrfach öffentlich entschuldigt. Für seine Verwicklung in einen Hundekampf- und Wettring drohen ihm nun 12 bis 18 Monate Gefängnis. Mit dem frühzeitigen Strafantritt will der 27-Jährige offensichtlich das Unvermeidliche möglichst schnell hinter sich bringen, um schneller wieder mit dem Football beginnen zu können. Womöglich will Vick auch den Richter gnädig stimmen.
Die Öffentlichkeit allerdings kann Vick damit kaum beeindrucken. Dass er und seine Komplizen sich ausgerechnet an des Menschen besten Freund vergangen haben, Hunde quälten, töteten und auf verschiedenen Grundstücken von Vick verscharrten, hat eine der größten sportlichen Begabungen der USA zur Unperson werden lassen.
Dass eines ihrer bisherigen Aushängeschilder nun hinter schwedischen Gardinen sitzt, das scheint die National Football League (NFL) seltsamerweise überhaupt nicht zu belasten. Die Liga boomt. Trotz aller Skandale. Denn der Fall Michael Vick ist nur der vorläufige Höhepunkt einer langen Liste: Ray Lewis, Star der Baltimore Ravens, stand wegen Mord vor Gericht. Der ehemalige Carolina-Panther-Profi Rae Carruth sitzt ein, weil er seine Freundin umbringen ließ. Bei dem Superbowl 2003 war Janet Jacksons nackter Busen zu sehen, und zum Anfang dieser Saison wurde das erfolgreichste Team der vergangenen Jahre, die New England Patriots, dabei erwischt, wie sie mit Videokameras den Gegner ausspionierten. Immer wieder werden Spieler wegen Drogenmissbrauchs gesperrt, und natürlich ist auch Doping ein Thema in der NFL: Anabolika und Wachstumshormone sind unter den wandelnden Muskelbergen verbreitet.
Bislang galt eher die National Basketball Association (NBA) als Hort der bösen Buben im US-Sport. Dort wurde fleißig gekokst, wurden Ehefrauen verprügelt und scheinbar im Stundentakt uneheliche Kinder gezeugt. Zuletzt gestand ein Schiedsrichter, Spiele zugunsten der Wettmafia verschoben zu haben. Nur logisch scheinen die Folgen: Die Einschaltquoten der letzten NBA-Finals zwischen San Antonio und Cleveland erreichten einen historischen Tiefstand.
Doch was die Kriminellenquote angeht, wurde die NBA längst von der NFL überflügelt. Selbst die momentan alle Rekorde brechenden New England Patriots haben ihr früheres Saubermann-Image abgelegt und beschäftigen nun mehrere Spieler mit dubioser Vergangenheit, darunter Star-Receiver Randy Moss. Trotzdem steigen die Einschaltquoten und sind die allermeisten Spiele ausverkauft. 67.000 Zuschauer kamen durchschnittlich im vergangenen Jahr. Und wer sich heute bei den Green Bay Packers in die Warteliste für Saisonkarten einschreibt (und andere Tickets gibt es in Green Bay nicht), der kann damit rechnen, seine Karten im Jahr 3074 zu bekommen.
Die Erklärung ist einfach: Während ein durchschnittliches NBA-Match während einer 82 Begegnungen langen Spielzeit blutleeren Stand-Basketball mit weitgehend lustloser Verteidigung bietet, ist jedes der nur 16 NFL-Saisonspiele eminent wichtig und wird entsprechend intensiv geführt.
Schlussendlich läuft es darauf hinaus: Stimmt das Produkt auf dem Spielfeld, bleiben moralische Bedenken zweitrangig. Tatsächlich trägt der eine oder andere Skandal eher noch zu wachsender Popularität bei. Wie jeder Werber weiß: Nur keine Nachrichten sind schlechte Nachrichten. Und Michael Vick, sollte er in zwei oder drei Jahren tatsächlich wieder in Freiheit sein und Football spielen dürfen, wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine weiterhin prosperierende National Football League vorfinden - trotz der bösen Buben.
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