american pie: NBA-Start: Blazers und Lakers lassen Muskeln spielen
Tummelplatz der Riesen
We all got up to dance
Die auch in den USA gern zitierte deutsche Gründlichkeit ließ Detlef Schrempf zuletzt vermissen. Zwar hat der 37-Jährige seine Basketballkarriere jüngst für beendet erklärt, doch versäumte er es, den nötigen Papierkram zu erledigen. Damit ist er offiziell noch beim NBA-Klub Portland Trail Blazers unter Vertrag, was den Klub zwang, den Deutschen zum gestrigen Saisonbeginn auf die so genannte Verletztenliste zu setzen, um die Rechte an ihm nicht zu verlieren. Dies kostete den russischen Nationalspieler Nikita Morgunow den Job, der entlassen wurde, weil Schrempf den letzten freien Platz im Team besetzt.
Wäre im Playoff-Halbfinale der letzten Saison nicht etwas ganz und gar Unglaubliches passiert, dann hätte Schrempf gestern im Rose Garden wohl sogar noch einmalig leibhaftig auf dem Parkett gestanden – um seinen lang ersehnten Championship-Ring in Empfang zu nehmen. Doch die fatalsten zehn Minuten der Blazers-Geschichte, als sie in der Schlussphase des entscheidenden Matches gegen die Los Angeles Lakers einfach nicht mehr den Korb trafen, ihren 15-Punkte-Vorsprung verspielten und ein praktisch gewonnenes Match noch aus der Hand gaben, brachten Schrempf um die Krönung seiner langen NBA-Karriere. Meister wurden stattdessen mit ihrem Finalsieg gegen Indiana die Lakers, passenderweise gestern Portlands Gegner zum Auftakt der neuen Saison.
Einen weiteren Anlauf wollte Schrempf nicht wagen, vermutlich hätte er auch keinen Platz im Team der Blazers gefunden. Die gaben noch mal viel Geld für neue Spieler aus, gefragt war aber weniger Spielkunst als schiere Kraft. „Eine Menge Leute erwarten, dass diese beiden Teams am Ende übrig sind“, sagt Ersatz-Spielmacher Greg Anthony. Gemeint sind Blazers und Lakers im Finale der Western Conference, deren Champion erneut wesentlich stärker sein dürfte als jener aus dem Osten. Für Portland kommt es im Hinblick auf dieses Quasifinale vor allem darauf an, dem übermächtigen Lakers-Center Shaquille O’Neill noch effektiver zu Leibe zu rücken. Mit Shawn Kemp, Dale Davis und Center Will Perdue kamen drei große, wuchtige Leute, die gemeinsam mit Arvidas Sabonis und Rasheed Wallace die Anti-Shaq-Force bilden sollen.
Doch auch die Lakers waren nicht untätig und verstärkten ebenfalls die Abteilung Power. Der erfahrene Horace Grant soll dafür sorgen, dass Leute wie Wallace, Malone, Duncan oder Webber nicht mehr so viel Schaden anrichten können, und für den nach New York abgewanderten Werfer Glen Rice soll der explosive Isaiah Rider auf Punktejagd gehen, der zweitschwierigste Spieler der Liga nach Dennis Rodman. Aber selbst den hat Lakers-Coach Phil Jackson ja gut im Griff gehabt. Ungute Kunde für die Konkurrenz der Lakers kommt auch vom zweiten Superstar neben Shaq, Kobe Bryant. Der hat in der Sommerpause nach eigenen Angaben unglaubliche 2.000 Würfe täglich absolviert, hauptsächlich von jenseits der Dreipunktelinie. Mit Erfolg, wie er sagt: „Es scheint jetzt so, als könnte ich jederzeit treffen.“
Während sich im Westen die Riesen tummeln, befleißigt man sich im Osten einer Spielweise, die vor einigen Jahren noch als typisch Westcoast galt. Flinke, trickreiche und elegante Akteure wie Allen Iverson, Vince Carter, Latrell Sprewell, Tracy McGrady, Eddie Jones, Jalen Rose oder Grant Hill prägen das Bild, ob diese Art Basketball reicht, um dem Westen Paroli zu bieten, wird bezweifelt. Orlando und Philadelphia, wo Ex-Alba-Spieler Ademola Okulaja zunächst auf die Verletztenliste musste, werden die besten Chancen im Osten eingeräumt.
Auch in diesem Jahr wird es im Übrigen keinen neuen Michael Jordan geben. Ein junger Spieler dieses Namens wurde von den Boston Celtics gestrichen. MATTI LIESKE
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