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american pieUngewohnt vergnüglich: Basketball bei den Clippers

Afro-Look und freche Worte

Oh but we never got the chance

Die bisherige Saisonbilanz von einem Sieg bei drei Niederlagen klingt vertraut, dennoch behaupten die Los Angeles Clippers, dass in diesem Jahr alles ganz anders ist. Viele Jahre lang war das Team die Lachnummer der Westküste und ein so sicherer Tipp für die schwächste Mannschaft der Basketball-Liga NBA, dass niemand auf sie setzen mochte – weil es nichts zu gewinnen gab. Am Sonntag verlor die Mannschaft ihr 14. Spiel in Folge gegen den Lokalrivalen und Champion Los Angeles Lakers, trotzdem sagt Center Sean Rooks: „Glaubt mir, diesmal liegen die Dinge anders.“

Anders war tatsächlich, dass der Underdog mit einer klaren Führung in das letzte Viertel ging, anders war, dass die Lakers-Fans im Staples Center bis zur letzten Sekunde auf ihren Plätzen blieben, anders war, dass die Superstars Shaquille O’Neal und Kobe Bryant bis zum Schluss auf dem Parkett standen und es des berserkerhaften Einsatzes von Shaq mit 22 Punkten im vierten Viertel bedurfte, den Kontrahenten mit 108:103 doch noch niederzuhalten. Und anders war vor allem, dass es O’Neal für nötig befand, den Clippers eine kleine Schmähung hinterherzuschicken: „Wir haben uns eben auf das Niveau unseres Gegners hinunter begeben.“ Die Clippers-Akteure seien sich bei dieser Bemerkung vermutlich vor Freude in die Arme gefallen, kommentierte die Los Angeles Times: „Guter Gott, endlich hat uns jemand genug bemerkt, um uns zu schmähen.“

Unübersehbar ist, dass im Gegensatz zu früheren Jahren, als es die Spieler hassten, ausgerechnet das Trikot der Clippers zu tragen, der Spaß am Basketball ins Team zurückgekehrt ist. Vizepräsident Elgin Baylor und der neue Coach Alvin Gentry haben einen Kader zusammengestellt, der nach den Chicago Bulls der zweitjüngste der Liga ist. „Die Vergangenheit ist Vergangenheit“, sagt kategorisch der 19-jährige Darius Miles, der direkt von der High School in die NBA wechselte, eine Afro-Frisur aus den Siebzigern zu seinen Tattoos trägt und es gleich wagte, einen Shaquille O’Neal zu blocken. An der Seite von Miles spielen Corey Magette, Quentin Richardson und Keyon Dooling, alle 20 Jahre alt, Center Michael Olowokandi, vor zwei Jahren als Nummer eins gedraftet, ist mit 25 einer der Ältesten.

Star der Youngstertruppe ist jedoch eindeutig Lamar Odom, das zweite Jahr bei den Clippers und eines der größten Talente der Liga. „Dies ist das Lamar-Team“, sagt Coach Gentry und vergleicht Odom, der bei einer Größe von 2,08 m enorme spielerische Fertigkeiten besitzt, vom Potenzial her mit Grant Hill. Die Rolle des Chefs im Team bereitet Odom, der gegen die Lakers mit 19 Punkten, 15 Rebounds und 6 Assists glänzte, keine Probleme. „Ich war immer ein besserer Anführer als Gefolgsmann“, sagt der am Montag 21 gewordene Flügelspieler selbstbewusst.

„Wir werden die Welt schockieren“, prophezeit Darius Miles, andere sehen die Perspektiven der Clippers etwas nüchterner. „Sie müssen eine Menge lernen“, erklärte John Starks nach dem 107:94-Sieg seiner Utah Jazz, „sie haben viele junge Talente, aber sie sollten ein paar Veteranen dazutun.“ Gegen das älteste Team der NBA verloren die Clippers nach einigen Schiedsrichterentscheidungen völlig die Contenance, Lamar Odom musste bereits im dritten Viertel mit zwei technischen Fouls in die Kabine. „Ich bin enttäuscht“, sagte Alvin Gentry, „mir ist egal, wie das Resultat aussieht, aber wir müssen unsere Fassung bewahren.“

Schon heute Abend bekommt das junge Team aus L.A. Gelegenheit, sich erneut an John Starks und den Jazz zu versuchen. Inzwischen gab es einen Sieg gegen Houston, eine Niederlage gegen Vancouver und das Match gegen die Lakers, das Lamar Odom mit Optimismus erfüllt: „Da haben wir gelernt, dass wir mit jedem mithalten können.“ Alvin Gentry ist skeptischer: „Moralische Siege gibt es nicht. Fakt ist, wir haben verloren.“ Irgendwann, glaubt jedoch auch der Coach, „werden wir ein gutes Team sein“. MATTI LIESKE

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