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american pieWhen the Saints go marchin` in

New Orleans im Football-Himmel

So come on, Jack be nimble, Jack be quick

Es sind völlig ungewohnte Beinamen, die den erstaunlichen Aufstieg der New Orleans Saints in dieser Saison der National Football League (NFL) begleiten. Von der „Saintsation“ schreibt die örtliche Zeitung Times-Picayune, und vor allem ein Slogan wird in der Stadt am Mississippi gebetsmühlenhaft wiederholt: „From worst to first.“ Am Samstag bestreiten die Saints bei den Minnesota Vikings das erste Zweitrundenmatch ihrer Playoff-Geschichte, und in New Orleans träumt man davon, das zu schaffen, was zuletzt den St. Louis Rams gelungen war: Binnen eines Jahres vom miserabelsten Team der Liga – 1999 gewannen die Saints nur drei Matches – zum Champion aufzusteigen.

In ihrer 34-jährigen Geschichte waren es meistens ganz andere Bezeichnungen, die dem Football-Team aus Louisiana zuteil wurden: The Aints, die Fußabtreter der Liga, die Stolperkönige, die Schlafwandler. „Meine Familie war ihnen von Anfang an treu“, sagt ein Fan, „es gab ein gebrochenes Herz nach dem anderen.“ Erst viermal wurde vor dieser Spielzeit der Einzug in die Playoffs geschafft, dort aber niemals gewonnen. Der Tiefpunkt kam 1980, als genau ein Saisonsieg gelang. Damals erfand ein Barbesitzer die berühmte Papptüte mit zwei Augenlöchern, die Saints-Fans trugen, damit sie ins Stadion gehen konnten, ohne erkannt zu werden.

Dass die New Orleans Saints überhaupt eine Hall of Fame haben, war Gegenstand zahlloser Witze. Dies könnte sich ändern, wenn die Mannschaft weiter so spielt wie letzten Samstag, als der Titelverteidiger aus St. Louis mit 31:28 in den Urlaub geschickt wurde. In den letzten zehn Minuten kamen die Rams dabei noch von 7:31 auf 28:31 heran. „Ich war ein rasender Verrückter“, sagte Coach Jim Haslett anschließend, „alles was schief gehen konnte, tat dies auch.“ Außer beim letzten Spielzug, als der entscheidende Ballgewinn gelang. Möglicherweise zahlte sich da die Voodoo-Zeremonie aus, welche die Yoruba-Priesterin Ava Kay Jones vor dem Match durchgeführt hatte, um den Superdome von bösen Flüchen zu räumen.

Ansonsten hat der Erfolg wenig mit Voodoo zu tun, aber viel mit Jim Haslett und Generalmanager Randy Mueller, die einem desolaten Team vor allem eines einimpften: den Glauben, Großes erreichen zu können. Vor Saisonbeginn schienen die Saints so gut wie keine Optionen zu haben, nachdem der vorige Coach Mike Ditka für den Running Back Ricky Williams einen ganzen Haufen Draft Picks geopfert hatte. Also war man gezwungen, Spieler zu holen, die sonst niemand haben wollte, und tat dies offenbar mit adlerscharfem Football-Auge. „Ein Haufen Ausgestoßener“ nennt Assistenztrainer Rick Venturi den aktuellen Kader und fügt hinzu: „Jeder hat etwas zu beweisen.“

Nicht einmal die Verluste von Schlüsselspielern konnten die Saints stoppen. Als sich Ricky Williams verletzte, sprang Terry Allen in die Bresche und erlief wichtige Yards, als gegen die Rams Receiver Joe Horn früh ausschied, legte der zweite Mann, Willie Jackson, drei Touchdowns hin, und als sich Anfang November Quarterback Jeff Blake den Knöchel brach, war plötzlich Aaron Brooks da. Gegen St. Louis gelangen dem 24-Jährigen vier Touchdown-Pässe, und Mitspieler Kyle Turley meint: „Aaron ist zur Metapher für die Identität dieses Teams geworden.“

„Ich hatte immer Berge zu erklettern, sportlich und privat“, sagt der Quarterback, der zu High-School-Zeiten in Virginia stets im Schatten des heutigen NBA-Stars Allen Iverson stand, der auf einer benachbarten Schule ebenso wie Brooks als Basketball-Spielmacher und Football-Quarterback glänzte. Als 131. Spieler wurde Brooks beim NFL-Draft 1999 in der vierten Runde von den Green Bay Packers gewählt, und noch vor wenigen Wochen war die Trading Card seines ersten NFL-Jahres für 25 Cents zu haben. Nun ist sie 100 Dollar wert.

Die Minnesota Vikings haben zwar drei Matches in Folge verloren, sind am Samstag aber dennoch Favorit. „Unsere Jungs sind anscheinend gern die Underdogs“, macht sich Ron Zook, Defense-Coach der Saints, darüber wenig Sorgen, und Linebacker Willie Whitehead ist sicher: „Wenn wir mit St. Louis spielen können, können wir mit allen spielen.“ Auf den Voodoo-Zauber von Ava Kay Jones werden die Saints im eisigen Minnesota allerdings leider verzichten müssen. MATTI LIESKE

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