american pie: Basketballer unter Antisemitismusverdacht
„Uninformiert und missraten“
Das Basketball-Publikum im New Yorker Madison Square Garden ist sehr leicht in Rage zu bringen, aber es ist genauso leicht zu besänftigen. So auch im Fall von Charlie Ward, dem Reserve-Spielmacher der New York Knicks. Ward, einer der religiösesten Spieler in der NBA, war am Wochenende durch in der New York Times veröffentlichte antisemitische Bemerkungen ins Zwielicht geraten. Beim ersten Playoff-Match gegen die Toronto Raptors wurde er darob vom heimischen Publikum zunächst heftig ausgepfiffen, als er aber mit einem Dreier und zwei verwandelten Freiwürfen den Sieg sicherte, jubelte ihm der Garden längst wieder zu. „Die Knicks-Fans wussten zwischen seinen Gedanken und seinen sportlichen Leistungen zu unterscheiden“, lobte Times-Kolumnist Ira Berkow.
Weniger versöhnlich zeigte sich NBA-Commissioner David Stern, selbst jüdischer Abstammung, der in einem harschen Statement die Äußerungen des Basketballers verurteilte. „Unglücklicherweise haben Wards Bemerkungen demonstriert, dass Glaubenseifer jeder Form intolerant und trennend ist“, erklärte Stern. Eine Bestrafung durch die NBA, wie es sie gegeben hatte, als Dennis Rodman vor einigen Jahren die Mormonengemeinde verunglimpfte, werde er nach den „uninformierten und missratenen Statements“ des Knicks-Spielers aber nicht beantragen. „Ich will nicht seine Märtyrergefühle steigern.“
Rigoroser ging der American Jewish Congress vor, der den Staat Florida aufforderte, den stets für ein Bibelzitat guten Charlie Ward als Protagonisten seiner Alphabetisierungskampagne „Born to read“ zu entfernen. In einem Schreiben, das u. a. von einem Paul D. Breitner unterzeichnet war, hieß es, „promptes Handeln zu unterlassen“ würde den Sätzen Wards, der auf der Florida State University Triumphe als Football- und Basketballspieler gefeiert hatte, „Glaubwürdigkeit verleihen“. Die Anti-Defamation League bezichtigte Ward und seinen Teamkollegen Allan Houston „religiöser Bigotterie“.
Der Basketballer selbst zeigte sich, weit entfernt von Märtyrergefühlen, zerknirscht. Seine Sätze seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, er sehe ein, dass sie in dieser Form „Leute ärgerlich machen könnten“. Niemals würde er jedoch „irgendeine Gruppe oder Religion verdammen oder kritisieren“. Tatsächlich hatte der Times-Artikel Äußerungen zitiert, die während einer Bibelstunde vor einem Match gegen Milwaukee gefallen waren, an der mehrere christliche Knicks-Spieler teilgenommen hatten. Kurz vorher hatte Coach Jeff van Gundy heftige Reaktionen der christlichen Gemeinde heraufbeschworen, als er die Spieler aufforderte, solche Veranstaltungen vor Spielen einzuschränken, da sie dem Kampfgeist und der Motivation nicht förderlich seien.
In diesem Fall hatten die Spieler mit einem jüdischen Buchautor über das Alte Testament und theologische Fragen diskutiert. Dabei hatte Ward die Juden als „stur“ bezeichnet, erklärt, sie hätten wegen der Kreuzigung von Jesus „Blut an ihren Händen“, und den Vorwurf erhoben, dass Christen „jeden Tag von Juden verfolgt“ würden. Houston zitierte aus dem Buch Matthäus: „Sie spien ihm ins Gesicht und schlugen ihn mit ihren Fäusten.“ Das sei keine Lappalie, insistiert der in der Times zitierte Arzt Marcel Tuchman, der Auschwitz überlebte: „Solche Begriffe sind jahrhundertelang verwendet worden, um Pogrome und Massaker anzustiften.“
So habe er das keinesfalls gemeint, beharrt Charlie Ward, und auch bei der Verfolgung von Christen habe er nicht über „Umbringen oder so was“ geredet. Ihm gehe es um Menschen, die von ihren Familien verstoßen würden, weil sie zum Christentum konvertiert seien. Ob er dem Ratschlag des American Jewish Congress folgt, „sich um Basketball zu kümmern und die Theologie denen zu überlassen, die wenigstens ein bisschen darüber wissen“, ließ der NBA-Profi offen. In jedem Fall entschuldigte er sich „aufrichtig“ bei allen, die er beleidigt habe, und fügte hinzu, er besitze sogar Freunde, die Juden seien. „Tatsächlich ist mein bester Freund ein jüdischer Bursche. Sein Name ist Jesus Christus.“
MATTI LIESKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen