american pie: Green Bay in den NFL-Play-offs gegen San Francisco
Klassiker in gefrorener Tundra
Spötter könnten sagen, so leicht wie Michael Strahan habe Brett Favre keiner mehr aufs Kreuz gelegt, seit ihn im Film „Verrückt nach Mary“ deren Bruder Warren kurzerhand schulterte. Strahan ist Abwehrspieler beim Football-Klub der New York Giants, und vor dem letzten Saisonspiel gegen die Green Bay Packers fehlte ihm noch ein Quarterback-Sack, um Mark Gastineaus 17 Jahre alten Rekord von 22 erfolgreichen Attacken auf den gegnerischen Spielmacher zu brechen. Welch günstiger Zufall, dass der Quarterback der Green Bay Packers ausgerechnet Brett Favre heißt und im Sommer mit Strahan regelmäßig Golf spielt. Kurz vor Schluss der Partie, welche die Packers mit 34:25 gewannen, lief Favre seinem Kumpel förmlich in die Arme. Der Rekord war perfekt, und Strahan bekam von seinem strahlenden Opfer ein paar herzliche Klapse auf den Helm.
Beide Trainer und natürlich auch Favre selbst bestritten hinterher, dass der Sack ein Geschenk gewesen sei, dennoch verlieh die Angelegenheit dem Ende einer Saison einen säuerlichen Beigeschmack, die sowohl für Green Bay als auch für deren Quarterback erstaunlich gut verlief. Während die Giants als Super-Bowl-Teilnehmer des vergangenen Jahres die Play-offs der National Football League (NFL) verpassten, geht es für die Packers nämlich weiter. Am Sonntag empfangen sie auf ihrem gefürchteten Lambeau Field die San Francisco 49ers, ausgerechnet jenes Team, das ihnen im Januar 1999 eine bittere Niederlage beibrachte. Es sollte erst einmal das letzte Play-off-Match des Teams vom Lake Michigan bleiben.
Der Niedergang der gefeierten Super-Bowl-Gewinner von 1997 hing eng mit dem Niedergang von Brett Favre zusammen. Hatte der Quarterback zuvor fünf Jahre lang jeweils mehr als 30 Touchdown-Pässe pro Saison geworfen, musste er jetzt erkennen, „dass es schon ziemlich schwierig ist, 20 zu schaffen.“ Kaum jemand glaubte, dass der von Verletzungen gequälte Quarterback noch einmal zu alter Stärke finden würde, doch in diesem Jahr lief es plötzlich wieder beim 32-Jährigen. Spätestens, als er die gefürchtete Defense des Champions Baltimore Ravens, der sich am Montag mit einem Sieg gegen Minnesota als letztes Team für die Postseason qualifizierte, fast nach Belieben demontierte, war klar, dass mit Favre nach dessen relativer Genesung wieder zu rechnen ist. „Er machte Spielzüge mit dem Arm, mit seinen Füßen und mit dem Kopf“, schwärmte Packers-Coach Mike Sherman. „Er bot in diesem Spiel jeden Aspekt, der einen Quarterback ausmacht.“ Green Bay gewann mit 31:23.
Am Ende der Spielzeit hatte Brett Favre wieder seine 32 Touchdown-Pässe, dazu die sechste Berufung ins All-Star-Game der NFL, die Pro Bowl am 9. Februar auf Hawaii und gute Chancen auf den Titel des MVP, des besten Spielers der Saison, den er bereits dreimal gewonnen hat. All das interessiert ihn momentan jedoch wenig: „Meine Konzentration richtet sich darauf, die Mannschaft in die Play-offs zu führen und die Super Bowl zu erreichen.“
Die Chancen, zumindest in die nächste Runde zu kommen, stehen nicht schlecht. Noch nie haben die Packers ein Play-off-Match im eigenen Stadion verloren, das wegen der extremen Kälte, die zu dieser Jahreszeit in Wisconsin herrscht, von allen Teams außer den Gastgebern zutiefst verabscheut wird. „Manche Typen habe einen Dome, manche haben warmes Wetter, wir haben eine gefrorene Tundra“, freut sich Split End Antonio Freeman auf das Match gegen die 49ers – ein Duell, das noch vor ein paar Jahren ein absoluter Klassiker war.
Jetzt ist es das Treffen zweier Mannschaften, die etwas unverhofft so weit gekommen sind. San Francisco hat sich von dem Verlust seiner Stars Steve Young und Jerry Rice schneller als erwartet erholt und vor allem dank Quarterback Jeff Garcia und Wide Receiver Terrell Owens 12 von 16 Spielen gewonnen, nachdem es in den beiden Jahren zuvor insgesamt gerade zehn Siege gab. „Wir scheinen jede Woche ein bisschen besser zu werden“, freute sich Coach Steve Mariucci, nachdem fünf Partien mit durchschnittlich 24 Punkten Unterschied gewonnen wurden. Den Schlusspunkt setzte am Sonntag ein knalliges 38:0 gegen die New Orleans Saints. „Man kann unsere Play-off-Erfahrung vermutlich an zehn Fingern abzählen“, sagt Quarterback Garcia und fügt hoffnungsvoll hinzu, „aber warum sollen wir nicht da hoch gehen und ein großartiges Match liefern?“ Eines allerdings dürfte klar sein: Brett Favre aufs Kreuz zu legen, wird ihnen erheblich schwerer fallen als zuletzt Michael Strahan oder zuvor Marys Bruder Warren. MATTI LIESKE
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