american pie: Michael Vick steht vor einer glänzenden Zukunft
Der heißeste Quarterback
Schließlich fand selbst Michael Vick seinen Meister. Auch die flinkesten Füße, der stärkste Arm, das unerschütterlichste Selbstvertrauen konnten nichts ausrichten, als Vick, Quarterback der Atlanta Falcons und Wunderkind der NFL, von den Tampa Bay Buccaneers auf Normalmaß zurecht gestutzt wurde. Deren Abwehr, die beste der National Football League, setzte am vergangenen Sonntag der beeindruckenden Siegesserie der Falcons mit einem 34:10-Erfolg vorerst ein Ende.
Vick, nach acht Spielen ohne Niederlage von Sports Illustrated zum „heißesten Football-Spieler des Planeten“ ernannt, hatte einen für seine Verhältnisse schwarzen Tag: Nur 12 von 25 Würfen fanden ihr Ziel, einem Touchdown-Pass stand ein abgefangener Pass entgegen. Vor allem aber konnte der 22-Jährige bei fünf Versuchen gerade mal 15 Yards erlaufen. Die Bucs-Defense verstand es, Vicks größte Stärke, seine Schnelligkeit und sein Improvisationstalent, auszuschalten und ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. „Ich konnte nichts tun“, ließ ein frustrierter Vick verlauten, der noch eine Woche zuvor mit 173 Lauf-Yards gegen Minnesota einen NFL-Rekord für Quarterbacks aufgestellt hatte.
Vick gilt als schnellster Spieler in der NFL und könnte wohl auch problemlos ein Weltklassesprinter werden. Zudem ist er sagenhaft flink, hat einen unglaublichen Antritt und auch noch einen harten und weiten Wurf. In seinem zweiten Profijahr hat er zudem die Präzision seiner Pässe stark verbessert. „So etwas wie ihn hat man noch nicht gesehen“, sagt Mannschaftskollege Jamal Anderson. Schon jetzt wird prophezeit, das Jahrhunderttalent Vick könnte sich zum Michael Jordan des Football entwickeln. Der Gelobte selbst gibt sich zwar weitestgehend bescheiden, hat aber auch eindeutige Ziele: „Ich will ganz nach oben und einen Haufen Geld verdienen.“
Abgesehen von seinen athletischen Fähigkeiten aber hat Vick in seinem zweiten Jahr vor allem im taktischen Bereich Fortschritte gemacht. Vom Alter her könnte er noch auf dem College spielen, nun aber beginnt er auch die ungleich komplizierteren Verteidigungsschemata der Profi-Clubs zu durchschauen. „Bei all seinem Talent“, sagt Steve Young, ehemaliger Quarterback der San Francisco 49ers, Vorbild und seit dieser Saison auch Mentor von Vick, „er lernt immer noch, was es heißt, ein Quarterback zu sein“. Die Aussicht, dass Vick immer noch relativer Anfänger auf seiner Position ist und dass Quarterbacks mit wachsender Erfahrung immer besser werden, dürfte die Verteidigungsreihen der Liga in Angst und Schrecken versetzen.
Einer rosigen Zukunft steht nur eines entgegen: Vicks Interpretation der Quarterback-Position ist extrem gefährlich. Dass die gegnerische Defense ständig darauf gefasst sein muss, dass er mit dem Ball unter dem Arm losläuft anstatt zu werfen, macht den Angriff der Falcons unberechenbar. Andererseits aber bietet Vick bei seinen Ausflügen ein ideales Ziel für heranstürmende Verteidiger. So schnell und flink er auch sein mag, jedes Tackle wird er auf Dauer nicht vermeiden können; und so kräftig er auch gebaut ist, sein Körper wird Zusammenstöße mit 130 Kilo schweren Verteidigern nicht ewig unbeschadet verkraften. Mancher Experte erwartet deshalb eine ebenso spektakuläre wie kurze Karriere, sollte Vick seinen Stil nicht grundsätzlich ändern.
Dass man auch mit soliden Pässen erfolgreich sein kann, bewies sein Gegenüber vom Sonntag. Bucs-Quarterback Brad Johnson warf mit 276 Yards und vier Touchdown-Pässe Tampa Bay zum Sieg und erklärte: „Wenn Michaels Karriere einmal zu Ende sein wird, wird sie nur aus spektakulären Höhepunkten zu bestehen scheinen. Aber es gibt verschiedene Wege, Spiele zu gewinnen.“ Eine Tatsache, die auch an Vick nicht vorbeigegangen ist: „Ich habe heute viel gelernt“, sagte er am Sonntag. THOMAS WINKLER
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